Verbrauchte Natur

Im September 2014 meldete der World Wildlife Fund, dass die Wirbeltierpopulationen (Säugetiere, Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische) in den letzten 40 Jahren um etwa die Hälfte zurückgegangen sind. Eine der Ursachen ist das Wachstum der menschlichen Bevölkerung, die sich im gleichen Zeitraum auf über sieben Milliarden verdoppelt hat. Wir wollen Ressourcen nicht als endlich behandeln, haben uns jedoch von den Naturgebieten der Erde mehr angeeignet und zu unserer Ernährung mehr Tiere getötet, als die Arten auf dem Land, in den Flüssen und Meeren verkraften können. Hinzu kommt unser unmöglicher Wasserverbrauch – im letzten Jahrhundert ist er um das Siebenfache gestiegen. 

Laut dem Ecological Footprint Atlas 2010 des Global Footprint Network werden wir global gesehen 1,5 Erden brauchen, um weiter so zu leben. Doch einige entwickelte Länder verbrauchen weit mehr Ressourcen. Würde die ganze Welt so viel verbrauchen wie Großbritannien, wären etwa 2,5 Erden nötig, um so weiterzumachen, für einen Bedarf wie den der USA wären sogar vier Erden erforderlich.

Eine Vielzahl von Indikatoren für die starke Beanspruchung der Erde durch den Menschen zeigt, dass wir die Gaben der Natur nutzen, als ob wir mehr als nur eine Erde zur Verfügung hätten. Wir entnehmen unseren Ökosystemen und natürlichen Prozessen mehr, als nachwachsen kann, und dadurch gefährden wir unsere Zukunft.“

Marco Lambertini, Foreword, „Living Planet Report 2014: Species and Spaces, People and Places“

Zu diesem ohnehin schon ernsten Stand der Dinge kommt noch die Verschmutzung der Umwelt durch die Menschheit hinzu. Diese Veränderungen sind wohlgemerkt nicht unvermeidlich, sondern von uns selbst verursacht. Wenn wir nicht verantwortlich mit der Erde umgehen wollen, dann ist der Preis dafür der Schwund dessen, was uns ernährt. Dasselbe unverantwortliche Verhalten weiter und weiter zu wiederholen wird die Problematik nur verschärfen; Probleme löst man nicht mit demselben Denken, das sie verursacht hat. Wir müssen einen anderen Weg finden und ihm folgen. 

Wenn Sie möchten, können Sie ignorieren, was nun kommt. Tatsächlich ist die Entwicklung aber so schlimm, dass etwas getan werden muss, um ihr zu begegnen. Im Buch der Bücher steht ganz am Anfang, dass alles, was Gott erschuf, sehr gut war. Das Land war fruchtbar, und der Mensch sollte es pflegen und schützen. Das klingt wie eine Maxime, die wir genau jetzt brauchen. Die hebräischen Wörter für Gottes Gebot in Genesis (1. Mose 2, 15), die mit „bebauen und bewahren“ übersetzt werden, bedeuten, dem Garten Eden bzw. der Erde zu dienen und sie zu erhalten. Doch am Ende des christlichen Alten Testaments wird die Möglichkeit ausgesprochen, dass derselbe Schöpfer „das Erdreich mit dem Bann schlage“ (Maleachi 3, 24), wenn die nicht wären, die die Menschheit zur Umkehr mahnten. Trotzdem wird im letzten Buch des Neuen Testaments eine feindselige, absolut destruktive Menschheit beschrieben, und Gott verkündet, dass nun die Zeit gekommen ist, „zu vernichten, die die Erde vernichten“ – das heißt, die ihre Ressourcen und ihre Menschen zugrunde richten (Offenbarung 11, 18). 

Im Alten Testament kann man nicht mehr als einige Kapitel lesen, ohne einen nachdrücklichen Hinweis auf das Land und seine Bedeutung für den Menschen zu sehen, angefangen von dem Bild des adam (hebr. Mensch, Menschheit), geformt aus adamah (Erde) in Genesis 2, 7. Dieses Wortspiel suggeriert eine Art verwandtschaftliche Verbindung; es ist eine subtile, aber eindrucksvolle Erinnerung daran, dass das Leben eines Volkes von seinem Land kommt.“

Ellen F. Davis, „Knowing Our Place on Earth: Learning Environmental Responsibility From the Old Testament“

Wie ist die Menschheit den unermesslich weiten Weg von der Pflege der Natur zur Zerstörung ihrer einzigen Heimat gegangen? Und was genau bringt den Schöpfer in einen solchen Konflikt mit der Krone seiner Schöpfung?

Der Mensch (hebräisch„adam“) wurde aus „Erde vom Acker“ („adamah“) geformt und von Gott durch den „Odem des Lebens“ zu einem lebendigen Wesen gemacht (1. Mose 2, 7). Doch die übereilte Entscheidung des Menschen, seine eigenen Wege zu gehen, statt dem offenbarten Weg des Schöpfers zu folgen, führte zur Trennung. Die Genesis berichtet von dieser Konsequenz: „Da wies ihn Gott der HERR aus dem Garten Eden, dass er die Erde bebaute, von der er genommen war. Und er trieb den Menschen hinaus“ (1. Mose 3, 23-24). Die Verschmutzung und Zerstörung dieses Bodens, dieser Erde ist zum Symbol für den Weg der Menschheit ohne ihren Schöpfer geworden. Wenn Menschen nicht in einer richtigen Beziehung zu ihrem Schöpfer leben, überrascht es nicht, dass das Ergebnis für sie, für das Land und für die Natur Leid ist. Wenn sie sich aber wieder an ihrem Schöpfer orientieren, bedeutet das Heilung für die Menschen, das Land und die Natur. 

Der Prophet Hosea sprach von dem Land, dessen Bewohner nicht gottgefällig lebten: „Der HERR hat Ursache, zu schelten, die im Lande wohnen; denn es ist keine Treue, keine Liebe und keine Erkenntnis Gottes im Lande, sondern Verfluchen, Lügen, Morden, Stehlen und Ehebrechen haben überhand genommen, und eine Blutschuld kommt nach der andern. Darum wird das Land dürre stehen und alle seine Bewohner werden dahinwelken; auch die Tiere auf dem Felde und die Vögel unter dem Himmel und die Fische im Meer werden weggerafft“ (Hosea 4, 1-3). Der traurige Zustand der Menschheit und der Natur ist die Folge falscher Denk- und Lebensweisen. Die Welt, die uns umgibt, spiegelt unser moralisches Versagen wider. Wenn wir unsere Eltern nicht ehren, wie es das fünfte Gebot fordert, riskieren wir, nicht lange in dem Land (bzw. auf dem fruchtbaren Boden, „adamah“) zu leben. Die Alttestamentlerin Ellen Davis drückt es so aus: „Die Dysfunktion des Menschen hat sichtbare Folgen in der natürlichen Ordnung.“

Wir haben nicht erfüllt, was Gott wollte: dass wir unsere Gottesbildlichkeit durch pflegliche Herrschaft über die Geschöpfe in die Tat umsetzen.“

Ellen F. Davis, „Knowing Our Place on Earth: Learning Environmental Responsibility From the Old Testament“

Brauchen wir Propheten, um uns davon zu überzeugen, was direkt vor unseren Augen ist? Dann müssen wir bedenken, was Jesaja vor mehr als 2 600 Jahren über das letzte Gericht auf der Erde schrieb – er und andere Propheten nannten es den „Tag des Herrn“: „Die Erde ist entweiht von ihren Bewohnern; denn sie übertreten das Gesetz und ändern die Gebote und brechen den ewigen Bund. Darum frisst der Fluch die Erde, und büßen müssen’s, die darauf wohnen. Darum nehmen die Bewohner der Erde ab, sodass wenig Leute übrig bleiben“ (Jesaja 24, 5-6). Das sind beängstigende Aussichten. 

Doch ist Heilung noch möglich? Woher und wie kann sie kommen? 

Gehen wir zurück zum Anfang. Heilung kommt, wenn der Mensch den Willen des Schöpfers und seinen Plan für die Erde versteht und in die Praxis umsetzt. Gott hat von Anfang an Gesetze festgelegt, die den richtigen Umgang mit der Natur regeln. Im menschlichen Leben gibt es Gebrauch und Missbrauch. Richtiger Gebrauch bedeutet, etwas nur für den Zweck zu nutzen, für den es bestimmt ist, und zwar innerhalb seiner natürlichen Grenzen. Boden, Land und letztlich die ganze Erde in all ihrer Vielfalt funktionieren innerhalb der Grenzen, die ihnen von ihrem Anfang an gesetzt sind. Missbrauch bedeutet, diese Grenzen zu ignorieren. Richtiger Gebrauch besteht darin, mit allen Geschöpfen Gottes gerecht umzugehen, egal, ob Mensch oder Tier. Doch wie sich über die Jahrhunderte gezeigt hat, wurde jeder Impuls vermieden, diesem Weg generell zu folgen. Und so stehen wir an der Schwelle beispielloser Katastrophen. Dennoch gibt es aus moralisch-ethischer Sicht Hoffnung, denn die Heilung ist garantiert. 

Einige der Propheten, von denen bereits die Rede war, sprechen von einer solchen Zeit. Die endgültige Heilung aller Dinge kommt, wenn die Menschheit mit ihrer Selbst- und Umweltzerstörung so weit gegangen ist, dass ohne Eingreifen von außen „kein Mensch selig werden“ wird (Matthäus 24, 22). Diese letzte Bedrängnis kann das Resultat weltweiter Kriegshandlungen mit „Vernichtungswaffen“ sein – welche Form diese auch immer haben –, begünstigt und unterstützt durch den eigensinnigen Missbrauch der Erde durch die Menschen. Denn wir führen tatsächlich, in diesem Moment, Krieg gegen uns selbst und gegen das, was uns ernährt! Wie Deborah Koons Garcias Film zeigt, darf man die Bedeutung des Bodens nicht unterschätzen (s. „Der Boden der Erde“). Ohne gesunden Boden und sauberes Wasser wird die Geschichte des Menschen ein katastrophales Ende nehmen. Doch heruntergekommener Boden ist nur ein Symptom für die heruntergekommene Moral des Menschen. 

Wir kennen das Problem. Wir wissen, dass wir es verursacht haben. Wir wissen, dass wir moralisch vom Weg abgekommen sind. Aber suchen wir den richtigen Weg? Einige wenige werden sich von der Heiligen Schrift leiten lassen. Aber die Zeichen stehen gegen ein ausreichendes Maß an Veränderung, um das Unvermeidliche zu verhindern. Letztlich wird es nötig sein, die Menschen zur Änderung ihres Verhaltens zu zwingen, um sie vor sich selbst zu retten. 

Vor uns liegt eine helle Welt der Fülle und des Wohlergehens in Harmonie mit der Natur. Petrus, der Jünger Jesu, nannte das die „Zeit, in der alles wiedergebracht wird, wovon Gott geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten von Anbeginn“ (Apostelgeschichte 3, 21), den Tag, an dem die Erde und ihre Menschen wörtlich und auch moralisch wieder guten Boden bekommen werden: „Denn ich will Wasser gießen auf das Durstige und Ströme auf das Dürre: ich will meinen Geist auf deine Kinder gießen und meinen Segen auf deine Nachkommen“ (Jesaja 44, 3).