Vater der Kirchengeschichte

Es wird behauptet, dass alle anderen Kirchenhistoriker dort beginnen, wo Eusebius von Caesarea aufgehört hat. Seine Kirchengeschichte, geschrieben Anfang des 4. Jahrhunderts, beschreibt eine der wichtigsten Perioden der christlichen Geschichte - von der Geburt Christi bis zur Zeit Konstantin des Großen.

Heutige Kritiker werfen ihm Mangel an kritischem Urteilsvermögen und schlechten literarischen Stil vor. Zu seiner Zeit war er jedoch höchst angesehen, als katholischer Bischof und Historiker; und zwar von vielen hoch stehenden Persönlichkeiten inklusive dem Bischof von Rom und Kaiser Konstantin. Dies verschaffte ihm den Zugang zu den kaiserlichen Archiven und die Gelegenheit, Einsicht in eine Vielzahl von Dokumenten, manche davon von beträchtlichem Alter, zu nehmen. Weil viel von diesem Material, wenn nicht das meiste davon, nicht mehr existent ist, liegt der Dienst, den Eusebius nachfolgenden Generationen geleistet hat, in seinen extensiven Zitaten aus solchen Werken.     

Ein gutes Beispiel ist seine Aussage in Demonstratio Evangelica (Der Beweis des Evangeliums), dass einige der Apostel das Evangelium im „Land der Inseln von Britannien“ gepredigt haben. Woher hatte Eusebius diese Information? Möglicherweise aus heute nicht mehr existierenden Werken, wie Ursprung der Britischen Kirche von Elvanus aus dem zweiten Jahrhundert. Einige dieser verloren gegangenen Bücher findet man vereinzelt in verschiedenen antiken Werken angeführt.  

Eusebius wurde um 263 n. Chr. vermutlich in Palästina geboren. Er wurde in Antiochia und Caesarea ausgebildet, wo er eine enge Verbindung zu dem gelehrten Presbyter Pamphilus fand, dessen Namen er später dem seinen hinzufügte (Eusebius Pamphilus). Pamphilus war Eigentümer einer großen Bibliothek und Gründer einer theologischen Schule, an der auch Eusebius lehrte.

Während dieser Zeit widmetet er einen Großteil seiner Zeit dem Studium der Werke Origenes', dem katholischen Kirchenvater aus dem zweiten Jahrhundert (siehe „Origenes“ in Vision Frühjahr 2004), die Pamphilus als Teil seiner Bibliothek gesammelt hatte. Dieses Interesse führte dazu, dass die beiden Männer eine Apologie für Origenes schrieben, das erste von fünf Büchern, das die Lehren Origenes' verteidigte. Für Katholiken war dies ein fragwürdiges Unternehmen, da Origenes von einigen als Häretiker angesehen wurde.

Nach der Gefangennahme und dem Märtyrertod Pamphilus' während der Christenverfolgung unter Kaiser Diokletian besuchte Eusebius Tyrus und Ägypten und wurde in der Folge selbst eingekerkert. Diese Verfolgung (303-313) war die längste und grausamste, die die Kirche bis zu jener Zeit erfahren hatte. Viele kamen in dieser Verfolgung zu Tode, Eusebius jedoch überlebte. Mit dem Edikt von Mailand, durch welches Konstantin und sein Mitregent Licinius verkünden ließen, dass die Christen hinfort im ganzen Reich toleriert werden würden, kam diese Verfolgung zu einem Ende. Eusebius wurde im Jahre 315 Bischof von Caesarea und verblieb bis zu seinem Tode, 25 Jahre später, in dieser Position.

Eusebius spielte in den Debatten und Streitigkeiten über Doktrinen, die in der katholischen Kirche des frühen 4. Jahrhunderts vorherrschten, eine bedeutende Rolle. Die Streitigkeiten drehten sich auch um Christologie in Bezug auf die Natur Jesu Christi. Hatte Jesus vor seiner menschlichen Geburt schon immer in göttlicher Form existiert? Hatte er einen ähnlichen Status wie der Vater, oder wurde er in einem niedrigeren Status geschaffen? Eusebius war am Konzil von Nicäa (325), wo dieses Thema mit Inbrunst debattiert wurde. Sein Augenzeugenbericht über die Vorgänge auf diesem Konzil ist seither ein wertvoller Beitrag zu diesem Teil der Geschichte.    

Der Bischof schrieb mehrere Bücher gegen einige, die häretische Ansichten verbreiteten, obwohl Eusebius selbst angeklagt worden war, dieselben Ansichten zu hegen. Er wurde trotz dieser Vorwürfe und seiner Unterstützung für Origenes im Allgemeinen zu seiner Zeit als orthodoxer Katholik angesehen. Heute würde die römisch-katholische Kirche ihn vermutlich nicht in diesem Licht sehen. Als Eusebius von der Schwester des Kaisers, Konstanzia, eine Bitte um ein Bild von Christus erhielt, antwortete er, dass kein Christ je daran denken würde, ein solches Bild zu besitzen oder zu malen. Das zweite Gebot, das sich gegen solche Bildnisse richtet (2. Mose 20, 4; 5. Mose 5, 8), wurde bis dahin so interpretiert, dass es auf alle Kunstformen, die Gott abbilden, anzuwenden sei.

Eusebios nutzte die ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen, um die Aufmerksamkeit auf die Kirche zu lenken, die er als wahre Nachfolgerin der ursprünglichen Christen sah.

Heute ist Eusebius am besten bekannt durch seine Kirchengeschichte. Die Absicht, die diesem Werk zu Grunde liegt, war, die Kirche, der Eusebius angehörte, mit dem Beginn der Christenheit in Zusammenhang zu bringen. Sein Bericht ist jedoch sehr einseitig. Er nutzte die ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen, um die Aufmerksamkeit auf die Kirche zu lenken, die er als wahre Nachfolgerin der ursprünglichen Christen sah. Andere Gruppen, die in diesen frühen Jahrhunderten existierten, wurden nur erwähnt, insofern sie mit der Kirche Eusebius' in Konflikt kamen oder von ihr verdrängt wurden. Da Kaiser Konstantin der Kirche große Chancen innerhalb des Reiches bot, wollte Eusebius auch, dass die Menschen Konstantin als einen Verfechter der Kirche sahen. Alle seine Werke, historisch wie biografisch, wurden geschrieben, um die katholische Kirche als die Kirche Konstantins zu etablieren. Er machte sehr deutlich, dass er diesen Zweig der Christenheit als die wahre Kirche betrachtete.  

Nichtsdestoweniger ist auch durch Eusebius bekannt geworden, welche Bandbreite von unterschiedlichen Denkrichtungen und Praktiken unter den Gruppen herrschte, die in den ersten drei Jahrhunderten als Christen bezeichnet worden sind.

Seine Unterstützung der katholischen Kirche und die Veränderungen, die Konstantin herbeigeführt hatte, kamen auch Eusebius selbst zugute - am meisten vermutlich die enge Beziehung, die sich zwischen ihm und dem Kaiser entwickelte. Wann genau die beiden Männer zum ersten Mal zusammentrafen, ist nicht bekannt. Dass sie Freunde wurden, geht aus verschiedenen Hinweisen hervor, dass er zum Speisen mit dem Kaiser geladen worden war. Es scheint auch so, dass sie mehrfach Briefe ausgetauscht hatten. Eusebius sah sich zunehmend als geistlicher Berater des Kaisers. Die Beziehung führte auch zu der posthumen Biografie Eusebius' über das Leben Konstantins, die allgemein als höchst schmeichelhafte Darstellung des Kaisers gesehen wird.

Eusebius starb um das Jahr 340. Sein Leben umspannte eine der traumatischsten und interessantesten Perioden der Geschichte der Christenheit. Nicht alle stimmen mit seinen doktrinären Positionen zu verschiedensten Themen überein, aber wenige werden abstreiten, dass er einen außergewöhnlichen Beitrag geleistet hat, viele Ereignisse der ersten 300 Jahre der christlichen Geschichte ans Tageslicht zu bringen. Ohne seine Leistung wäre vieles den nachfolgenden Generationen verloren gegangen. In diesem Sinne wird er angemessen als „Vater der Kirchengeschichte“ beschrieben.