Der feinfühlige Entdecker

Vor vierzig Jahren stieg Neil Armstrong aus dem Mondmodul Apollo 11 und betrat die Oberfläche des Mondes. Seine Worte „Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein riesiger Sprung für die Menschheit“ werden immer als Symbl jenes staunenswerten ersten Moments erkannt werden, in dem ein Mensch eine Spur in einer anderen Welt hinterließ. 

Leider nahm Edwin „Buzz“ Aldrin, der mit Armstrong flog, kein Foto von ihm auf, wie er tatsächlich auf dem Mond stand. Das ist eine erstaunliche Anomalie, selbst für die damalige Zeit, als das Fotografieren noch nicht so allgegenwärtig war wie heute. Aldrin machte viele interessante Aufnahmen, u. a. von seinem eigenen Fußabdruck im Mondstaub. Doch weil ein Foto von Armstrong nicht auf der Checkliste stand und die Zeit so knapp war, sagte Aldrin im Nachhinein, dass er einfach nicht daran dachte.

Vier Jahrzehnte später, im Mai 2009, ging Michael J. Massimino auf den 126. Raumflug innerhalb des Space-Shuttle-Programms, das 1981 begann – neun Jahre nach dem Ende des Apollo-Programms. Und während Aldrin nie die Kamera auf Armstrong hielt, waren auf den Spezialisten Massimino bei dieser Mission ständig Kameras gerichtet. Heute wird von einer bemannten Raumfahrt nahezu alles dokumentiert. Ob sie erfolgreich ist oder nicht – die Welt schaut immer zu.

Bei dieser Mission zur Instandsetzung des Hubble-Raumteleskops flog die gesamte Foto- und Filmausrüstung in der Raumfähre Atlantis mit, u. a. eine extragroße IMAX-Kamera. Der IMAX-Film, der die Instandsetzung des Teleskops dokumentiert, soll im Frühjahr 2010 in die Kinos kommen und nicht nur den letztlich erreichten Erfolg der Mission zeigen, sondern auch die selten publizierten Pannen, z. B. als ein Griff, der in einem Stadium der Reparatur abgenommen werden musste, sich nicht rührte, weil ein Bolzen klemmte.

Massimino, den seine über eine Million Twitter-Leser „Astro Mike“ nennen, war der Astronaut, der dieses Problem lösen musste. Nach einem Programm, das die Academy of Motion Picture Arts and Sciences in Hollywood zu Ehren der Besatzung der Atlantis STS-125 veranstaltete, sprach Vision-Autor Dan Cloer im August 2009 mit ihm über diesen und andere Aspekte seiner historischen Raumfahrt.

 

DC Welche Wirkung erhoffen Sie sich von dem Hubble-Film?

MM Die Zusammenarbeit mit den Leuten von IMAX war einfach wunderbar. Ich bin immer interessiert an Möglichkeiten, Menschen zu helfen, mehr über das Raumfahrtprogramm zu erfahren und in gewisser Weise zu erleben, was wir erleben dürfen. Dieser Film wird die Geschichte des Hubble-Raumteleskops und unserer Mission erzählen, und er dürfte etwas von diesem Erleben bieten. Ich glaube, er wird fantastisch sein.

DC Nach Ihrer Präsentation in Hollywood waren viele Zuschauer sehr beeindruckt von der Begeisterung der Besatzung und ihrer Bereitschaft, ihnen die Erfahrung auf einer emotionalen, zu Herzen gehenden Ebene nahezubringen. Das ist etwas, das nicht von vornherein erwartet wurde. Wir alle haben ein Bild von einem Astronauten als einem eher stoischen, heldenhaften Typ wie in Tom Wolfes The Right Stuff (Die Helden der Nation). Die ersten Astronauten waren ein ziemlich schmaler Querschnitt, als militärische Testpiloten ausgebildet, aber nicht für die Kommunikation mit der Öffentlichkeit. Was ist heute „der Stoff, aus dem die Astronauten sind“?

MM Wenn wir an die sieben Astronauten der ersten Stunde denken, müssen wir uns daran erinnern, dass sie alle einen ähnlichen Werdegang hatten; sie waren u. a. militärische Testpiloten im aktiven Dienst. Wir haben noch immer Jungs und Mädels mit diesem Werdegang, aber wir haben jetzt auch eine viel größere Bandbreite wegen der unterschiedlichen Aufgaben, die erfüllt werden müssen. Ich kenne die genaue Statistik nicht, aber wir sind ungefähr zur Hälfte Militär und zur Hälfte Zivilisten.

Wir haben also jetzt eine größere Vielfalt bei den Leuten. Auf unserem Flug war z. B. Megan [McArthur] dabei, eine Ozeanografin, Drew [Andrew Freustel], ein Geologe, ich bin Ingenieur, John [Grunsfeld] ist Astronom, und wir alle sind Zivilisten. Die anderen drei Jungs kamen vom Militär.

Heute denke ich, ein Astronaut muss jemand sein, der ein Interesse am Entdecken hat; der Freude daran hat, die Arbeit tatsächlich zu machen, statt nur zuzuschauen; jemand, der nicht damit zufrieden ist, darüber zu lesen, sondern selbst Hand anlegen will. Ich denke, das ist es, was wir alle gemeinsam haben. Und dass wir ein starkes Gefühl für Teamwork haben und mit Menschen klarkommen können. Wenn damals der Typ „Testpilot mit stählernem Blick“ das Richtige war, ist es jetzt, denke ich, eher der feinfühlige Entdecker. 

DC Aber Sie brauchen immer noch die Jungs mit stählernem Blick, die „den Bus zur Arbeit fahren“.

MM Ja, aber selbst die sind feinfühliger als früher, weil sie mit uns zusammenarbeiten müssen. Zu abgehoben darf man nicht sein. Das meinte ich mit dem Begriff Teamwork: Wir haben verschiedene Werdegänge, doch gleichgültig, woher wir kommen, wir müssen mit allen anderen klarkommen, um Erfolg zu haben.

DC Sie haben das Wort traumatisiert verwendet, um Ihre Gefühle zu schildern, als es bei der Hubble-Reparatur nicht lief wie geplant. Weil der Untertext für die Mission vorgab, das Raumteleskop zu reparieren und „die Geheimnisse des Universums“ zu enthüllen, wäre es eine große Enttäuschung gewesen, Ihre Aufgabe nicht zu bewältigen. Sie wollten nicht als derjenige in die Geschichte eingehen, der unsere Augen zum Universum geschlossen hat.

MM Ja, in den Schulbüchern hätte stehen können: „Wir wüssten, ob es Leben auf anderen Planeten gibt, wenn nicht Massimino gewesen wäre, dessen Kinder Gabby und Daniel heißen und auf die und die Schule gehen …“ Verstehen Sie, was ich meine?

DC Sicher, aber es war doch eine Aufgabe für das Team. Wie kam es, dass Sie in der Situation die richtige Person am richtigen Platz waren? Wie ging die Reparatur vor sich?

MM Aus irgendeinem Grund landete diese Aufgabe bei mir, und wie das kam – keine Ahnung. So ist es einfach gelaufen. Damals ging es mir damit nicht gerade gut, aber rückblickend hatten wir Glück damit, wie es ausging.

Die Zweierteams für Missionen außerhalb der Kapsel werden – wenn nicht ein anderer, zwingender Grund vorliegt – aus einem alten Hasen und einem Neuen zusammengestellt. Dass John und ich getrennt würden, war sicher, aber mit wem Drew und Mike [Michael Good] zusammenarbeiten würden, war völlig offen; da konnte man eine Münze werfen. Es gibt keine wissenschaftliche Methode, ein Zweierteam zusammenzustellen. Schließlich hatte Mike einige weitere Aufgaben, und so wurde er mir zugeordnet, und Drew bildete ein Team mit John. Ich hatte mit Drew trainiert, und wir waren in den letzten Jahren gute Freunde geworden; deshalb dachten wir, es wäre richtig cool gewesen, zusammen einen Raumspaziergang zu machen.

Rückblickend war es aber – gerade weil Drew und ich so gut aufeinander eingespielt waren (wir hatten diese Reparatur stundenlang zusammen an einer Nachbildung des Arbeitsbereichs gegenüber von unseren Büros geübt) – tatsächlich besser, dass er innen war und mich durch die Aufgabe führte, als die Probleme auftraten.

Ich erinnere mich z. B., dass ich an einem Punkt zurück zur Einstiegsluke kam und durch das Fenster zu Drew aufblickte. Mir ging es einfach furchtbar. Ich sagte immer wieder: „Das kann nicht sein. Es ist unmöglich, dass das hier jetzt passiert!“ Ich dachte: Von einem Standpunkt der Religion, des Karma oder der Zukunft des Universums aus, oder was es auch ist, muss das hier funktionieren. Da ich der Mann vor Ort war – nicht dass das Problem meine Schuld war –, fühlte ich mich dafür verantwortlich, dass dieses Ding nicht funktionierte. Was konnten wir tun, um es in Ordnung zu bringen? Kein Instrument, keine Lösung, die den anderen einfiel, wollte funktionieren (bis sie endlich sagten: „Zieh den Griff ab.“). Ich dachte: Wir sind erledigt. Es ist vorbei. Wir haben versagt.

Kein Instrument, keine Lösung, die den anderen einfiel, wollte funktionieren … Ich dachte: Wir sind erledigt. Es ist vorbei. Wir haben versagt.“

Michael Massimino

Und es war dunkel draußen; wir waren über der Nachtseite der Erde. Also, das war deprimierend und furchterregend und verstärkte einfach die ganze Stimmung. Es war nicht hell und sonnig über Kalifornien, sondern finster über Abu Dhabi oder wo wir auch immer waren. Ich wollte niemandem ins Gesicht schauen oder etwas sagen, aber als ich zur Vorderseite des Laderaums schwebte, um Werkzeuge zu holen, sah ich Drew in der Kabine. Alles war dunkel, aber sein kleiner Kopf war beleuchtet, weil das Licht in der Kabine an war, und er lächelte mich an und hob beide Daumen. Er wollte nichts sagen, das die anderen hören konnten, deshalb lasen wir uns die Worte von den Lippen ab.

Ich formte mit dem Mund eine Menge schlimmer Worte, und er schaute einfach herunter und sagte im Wesentlichen: „Was hast du denn? Es wird alles gut.“ Das war von großer Bedeutung für mich – Drews Unterstützung war sehr wichtig. Sie war eines der Dinge, die sich glücklich gefügt haben.

Das andere war, dass der CapCom [der Kapsel-Kommunikator im Johnson Space Center in Houston] Dan Burbank war [ebenfalls ein Astronaut], der sehr gut darin ist, Dinge zu reparieren. Sein Vater war Lehrer für Industriehandwerk, und Dan kann so ziemlich alles machen. Er ist einer meiner besten Freunde im Astronautenbüro. Er erklärte also mit einer sehr positiven Haltung, wie wir dieses Ding in Ordnung bringen würden.

Hätten wir keines dieser Elemente dort gehabt, glaube ich nicht, dass wir bei den Positionen, in denen alle waren, und der Art, wie diese Arbeiten ausfielen, die Aufgabe an dem Tag geschafft hätten. Das hätten wir nie im Voraus planen können.

DC Diese Episode scheint dafür zu sprechen, Menschen ins Weltall zu schicken. Als Ingenieur, der an der Schnittstelle Mensch-Maschine arbeitet – meinen Sie, dass Maschinen je in der Lage sein werden, eine Lösung für ein unvorhergesehenes Problem zu schaffen?

MM Die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, um unterwegs Dinge zu ändern, ist das, was Menschen bringen; aus diesem Grund sind Astronauten wichtig. Außerdem ist es wichtig, dass die Stimmung nicht zu tief sinkt, während man die Arbeit macht. Das andere, das ich dort draußen dachte, war, die Lage nicht noch schlimmer zu machen. Die Werkzeuge können leicht wegschweben; sie sind nicht angebunden, und sie sind nur in die Box eingepasst. So schlimm es also war – ich hätte es noch schwerer für uns machen können.

Als der Flug zur Rettung des Hubble-Raumteleskops zunächst abgesagt wurde, dachten wir an eine Reparatur durch Roboter. Ich war an dem Versuch beteiligt, eine unbemannte Mission vorzubereiten, um diese Reparatur zu machen. Es war ein sehr interessantes, kreatives Projekt, und es machte Spaß; doch am Ende war es zu teuer, es auch nur zu versuchen – und die meisten Reparaturen, mit denen wir beauftragt wurden, hätten so nicht gemacht werden können. Im Nachhinein wären also selbst die kleinen Anpassungen, die Menschen machen, unmöglich gewesen. Eine Robotermission hätte hier nicht zum Erfolg geführt.

Was wirklich gebraucht wird, ist, dass Menschen mit Maschinen arbeiten. In unserem Fall haben wir den Roboterarm, der mehr wie ein Kran ist; er führt automatische Sequenzen durch. Aber es ist wirklich so, dass die Maschine dem Astronauten hilft, seine Aufgabe bei einer Außenmission zu erfüllen. Jeder hat eine Funktion, nicht nur der Mensch oder die Maschine, sondern beide.

DC Sie haben gesagt, die Erde aus dem Weltall zu sehen sei wie der Unterschied zwischen dem Blick in ein Aquarium und Tiefseetauchen: Hineinschauen statt drinnen sein. Es ist schwer vorstellbar, im All zu sein und nicht zur Erde zurückzuschauen, und doch haben Sie vor diesem ersten Hinschauen gezögert.

MM Mein erster Blick zur Erde war bei meiner zweiten Außenmission auf meinem ersten Flug, im Jahr 2002. Bei meiner ersten Außenmission hatte ich zu viel zu tun, um auch nur für einen Blick innezuhalten; die Aufgaben nahmen mich zu hundert Prozent in Anspruch. Aber bei der zweiten gab es einige entspannte Momente, und ich war entspannter. Es schien okay, die Belohnung in Anspruch zu nehmen, mich ein wenig umzusehen.

Das war eine frühere Hubble-Instandsetzungsmission, und ich war in einer Fußhalterung, also stehe ich einfach da draußen. Wir hatten gerade die neue Kamera für Vermessungen angebracht. Das war eines der Instrumente, die wir auf dieser Mission wieder repariert haben – sie macht die coolen Aufnahmen, die „die Geheimnisse des Universums enthüllen“ und die Kalender füllen, sodass die Leute „ooh“ und „aah“ machen. Ich wartete also bei dem Lagerbehälter auf das alte Instrument, das wir abgebaut hatten, und ich hatte ein paar Minuten. In der Kabine gingen noch mehr Daumen hoch, und wir kamen gerade für den Überflug des Tages über den besonnten Teil Afrikas. Ich konnte das Meer sehen, und es war einfach wunderschön; so sagte ich mir: Jetzt ist die Zeit gekommen, dass ich wirklich einmal hinschaue.

In dem Moment dachte ich: Das sollen Menschen nicht sehen. Das ist eine Art Geheimnis, das unser Verstehen übersteigt. Gott will nicht, dass jemand das sieht. Schau nicht hin!“

Michael Massimino

Aber nach einem kurzen Blick musste ich mich abwenden. Ich konnte es nicht einmal ertragen, hinzuschauen, denn in dem Moment dachte ich: Das sollen Menschen nicht sehen. Das ist eine Art Geheimnis, das unser Verstehen übersteigt. Gott will nicht, dass jemand das sieht. Schau nicht hin! Das war meine erste Reaktion. Es war einfach zu schön, dieses kleine Geheimnis – große Geheimnis –, das ich da ansah.

DC Warum sollte Gott nicht wollen, dass wir das sehen?

MM Keine Ahnung! Es ging mir einfach durch den Kopf. Es war so wunderschön und einzigartig, und eine so fantastische Perspektive; ich empfand, dass es über das hinausging, was wir anschauen dürfen. Es war so ähnlich wie in dem Film Indiana Jones – wenn der Typ in die Arche schaut und zu Staub zerfällt? So war es: Das hier ist so schön, dass du zu Staub zerfallen wirst!

Als ich dann doch das zweite Mal hinsah, fing es an, mich innerlich fast zu zerreißen. Es wurde ein bisschen emotional da draußen, und ich bekam Bedenken, dass das Probleme schaffen könnte, denn Wasser im Raumanzug ist nicht gut. Es kann einen Kurzschluss auslösen; Wasser kann sich mit dem Anti-Nebel auf dem Visier vermischen und sich lösen und die Augen reizen. Und ich konnte keines dieser Probleme gebrauchen; außerdem wollte ich nicht zugeben müssen, dass ich das Wasser im Anzug hatte, weil ich weinte wie ein kleines Schulmädchen. An diesem Punkt arbeitet „der Stoff, aus dem die Helden sind“, gegen dich! Dann lachen dich die harten Jungs aus.

Also riss ich mich zusammen und schaute ein drittes Mal. Die Leute können „fantastisch“ oder sonst was sagen, aber um das da zu beschreiben, gibt es keine Worte. Meine Gedanken waren: Wenn ich im Himmel wäre, müsste dies der Blick sein. Aber dann war der Gedanke, der an seine Stelle trat: Das ist so wunderschön – so muss der Himmel aussehen. Ich halte mich nicht für einen übermäßig religiösen Menschen. Ich bin ein religiöser Mensch, aber ich bringe nicht notwendigerweise alles in Verbindung mit Religion. Also, es war nicht etwa ein großer religiöser Moment, aber mir fiel keine andere Beschreibung ein als „Himmel“.

Während ich da draußen war, hatte ich noch den anderen Gedanken: Wie könnte es einen anderen Ort geben, der so schön ist? Wenn man daran denkt, was Hubble tut – es entdeckt, wie riesig das Universum ist, und all diese anderen Sonnensysteme und all diese Planeten – Milliarden davon sind potenziell da draußen. Und rein intellektuell sollte man meinen, dass es irgendwo einen anderen Ort gibt, wo Leben existiert. Ich glaube nicht, dass wir irgendwelche Beweise dafür gefunden haben, und es gibt keine Beweise (die ich glauben würde), dass wir von anderen Wesen besucht worden sind. Wenn es Besucher aus dem Weltall gäbe, glaube ich nicht, dass sie mitten in South Dakota landen würden; sie würden nach New York oder L. A. fliegen, um eine Show zu sehen. Wenn man so clever ist, dass man hierher reisen kann, will man dann nicht etwas sehen – wenigstens einen Kinofilm?

Nachdem ich die Erde betrachtet hatte, dachte ich, es könne keinen anderen Ort geben, der so schön ist wie unser Planet. Es ist etwas, das man mitteilen möchte, aber vollständig geht es einfach nicht.

DC Bei einem Gespräch in der Academy bat Sie jemand, das Tiefste zu beschreiben, das Sie aus Ihrer Erfahrung gelernt haben. Sie haben geantwortet: „Die Erde ist ein Planet.“ Sie nannten sie ein „Paradies mitten im Chaos“. Was meinten Sie damit?

MM Da war noch etwas, das mich beeindruckt hat. Das war auf meiner ersten Außenmission, und ich erinnere mich, dass ich über meine Schulter blickte und sehr klar den Mond sah. Man sieht Sterne und die Schwärze des Raums da draußen, und man saust ganz schön schnell um diese Erde herum. Und man schaut nach draußen und dann zurück, und dann hat man eine veränderte Wahrnehmung.

Bei meinem ersten Flug war Duane „Digger“ Carey der Pilot, ein Neuling wie ich; wir waren zusammen im Astronautentraining. Als Pilot bekommt er keine Außenmissionen, darum sagte er mir, wenn ich zurückkäme, wollte er alles über draußen hören. „Ich will alles hören: Beschreibungen, Details – erkläre gleich alles perfekt“, sagte er. Und natürlich, ich komme rein, Digger nimmt mir den Helm ab und setzt ihn zur Seite. Er starrt mich richtig an und sagt: „Wie war es?“ Er ist direkt in meinem Gesicht, und ich stecke in diesem Raumanzug, und alles, was ich antworten kann, ist: „Die Erde ist ein Planet.“

Er sagt: „Was hast du da in deinem Raumanzug geraucht?“ Aber das war meine Offenbarung! Es ist seltsam, was einem da draußen durch den Kopf geht. Natürlich habe ich als kleines Kind gelernt, dass die Erde ein Planet ist, es war eine Selbstverständlichkeit. Natürlich wusste ich das. Aber wenn man es wirklich sieht, begreift man, dass sie nicht dieses zweidimensionale Zuhause ist, für das wir sie halten.

Jetzt gerade sind wir auf der Erde. Ich schaue aus meinem Bürofenster, und ich habe eine Art zweidimensionale Beziehung zu diesem Ort. Zu Hause ist, wo man wohnt; man geht hierhin und dahin, nimmt die Kinder zu einem Baseballspiel mit, kocht Essen, geht einkaufen, fliegt vielleicht hin und wieder mit dem Flugzeug, geht joggen oder wandern, geht nach Hause, hängt rum, oder was auch immer man tut. Unsere Interaktion mit der Erde ist diese zweidimensionale Beziehung, ein sicherer Hafen, in dem wir uns bewegen, in dem wir herumfahren. Das war meine Vorstellung.

Als ich es vom Weltraum aus sah, wurde mir ganz plötzlich klar: „Mann, das stimmt so nicht! Wir sind nicht geschützt; wir sind mitten in diesem ganzen Chaos.“ Wir sind hier draußen mitten zwischen all diesen anderen Dingen, die wahnsinnig schnell um uns herumsausen; die Sonne ist genau da, der Mond ist dort drüben, die anderen Planeten sind da draußen, Sterne und Galaxien – und die Erde ist ein Teil davon. Es ist sicher, auf ihr zu leben, aber sie flitzt zwischen dem ganzen anderen Zeug im Universum herum.

DC Hier unten diskutieren wir noch immer über den Einfluss menschlichen Verhaltens auf die Erde. Wenn Sie sie aus dem Weltraum sehen, haben Sie dann Zweifel?

MM Man kann die Entwaldung sehen und Seen, die austrocknen. Man kann sehen, wie dünn die Atmosphäre ist – das ist eine Art klassischer Astronautentext: dünn und zerbrechlich und bla, bla, bla. Manche Astronauten werden wirklich Umweltschützer, aber bei mir war es einfach: „Das ist unglaublich schön – so cool anzuschauen.“ Unser Verhalten hat eindeutig Auswirkungen, und es ist eindeutig Zerbrechlichkeit da, und die Erde ist ein ganz wunderbarer Ort zum Leben.

Etwas, das mir als Vater durch den Kopf ging (ich habe zwei Kinder, 14 und 16), hat einen gewissen religiösen Aspekt. Da Sie selber Kinder haben, kennen Sie den Drill: Man will es immer schön für die Kinder machen, besonders wenn sie klein sind. Alles muss perfekt sein – man baut ein schönes Baumhaus und all die anderen Sachen. Und wir machen uns verrückt, denn ihnen ist es natürlich egal!

Und der Vater ist immer der Schuldige. Ich habe vergessen, die Filmleute zu fragen: „Warum ist der Vater immer der Böse?“ Aber der Vater versucht immer, das Haus schön zu machen. Und das dachte ich, als ich die Erde sah: Der Vater hat das Haus schön gemacht! Jemand hat richtig gut für uns gesorgt. Wir sollten die Erde nicht so verwüsten wie eine Studentenbude am Samstagabend!

Der Vater versucht immer, das Haus schön zu machen. Und das dachte ich, als ich die Erde sah: Der Vater hat das Haus schön gemacht! Jemand hat richtig gut für uns gesorgt. Wir sollten die Erde nicht so verwüsten wie eine Studentenbude am Samstagabend!“

Michael Massimino

Wie man es auch sieht – religiös, oder dass die Erde eben einfach da ist –, wir haben dieses wirklich schöne Haus, und wir sollten es nicht verwüsten. Wenn man an Gott glaubt und er ein Vater ist, der für uns sorgt, dann hat er uns ein richtig schönes Zuhause gegeben. Manche von den Kindern kümmern sich darum, und andere Kinder behandeln es wie eine Studentenbude.

Wenn man es aus einer religiösen Perspektive sehen will, könnte man sagen, Gott liebt uns wirklich, denn wissen Sie, als Vater liebe ich meine Kinder wirklich, und ich will, dass meine Kinder ein schönes Zuhause haben. Gott hat uns ein wirklich schönes Zuhause gegeben.

DC Einstein hat gesagt, Religion ohne Wissenschaft ist blind, und Wissenschaft ohne Religion ist lahm. Klingt das Ihrer Erfahrung nach richtig?

Was wir durch unsere Wissenschaft und mit dem Hubble herauszufinden suchen, ist: Wer sind wir und was sind wir in diesem ganzen Universum? Wie hat sich das alles gebildet, und woher sind wir gekommen?“

Michael Massimino

MM Es ist komisch, woran man in diesem Moment des Lebens denkt, wenn man die Gelegenheit hat, zu sehen, wie alles miteinander verschmilzt. Ich finde, es stimmt. Was wir durch unsere Wissenschaft und mit dem Hubble herauszufinden suchen, ist: Wer sind wir und was sind wir in diesem ganzen Universum? Wie hat sich das alles gebildet, und woher sind wir gekommen? Wir wissen es wirklich nicht. Die Bibel sagt uns religiöse Dinge, und die Wissenschaft sagt uns andere Dinge, aber wir haben wirklich keine Ahnung, woraus all dies ist; dunkle Materie und Energie – wir erkennen nicht einmal, was das ist, was die Elemente sind, aus denen der größte Teil des Universums besteht. Die Menschen haben neugierige Fragen, und die Wissenschaft versucht, sie zu beantworten, aber sie muss auch offen sein für Wege des Erschaffens da draußen, die wir noch nicht verstehen.

Das Raumfahrtprogramm ist zum Erforschen da, und auch für die Erweiterung unseres Verstehens. In fünfhundert Jahren könnten wir viel näher dran sein, aber heute wissen wir nicht, wie wir ins Bild passen. Wir können Wolkenkratzer bauen und in schicken Autos herumfahren, aber wir wissen immer noch nicht wirklich, was wir tun.