Wie intelligent sind wir wirklich?

Angesichts der rasanten Entwicklung unserer Technik ist es Zeit für einige wichtige Entscheidungen. Ja, wir können Dinge tun, die nie zuvor möglich waren. Aber sollten wir das auch?

Ein programmierter Rasenmäher arbeitet sich selbstständig durch den Garten, und ein Roboter saugt bei uns Staub, während wir unterwegs sind – doch das ist nicht alles. Weit höher entwickelte Anwendungen von künstlicher Intelligenz (KI) sind dabei, unser komplettes Leben zu revolutionieren. Stimmerkennungs­technologie kann schon jetzt die Verwaltungsangestellte einer Arztpraxis einsparen, die bisher immer wieder Anamnesen eintippen musste, und Roboter sind beim Einsetzen eines künstlichen Kniegelenks präziser und effektiver als ein menschlicher Chirurg. Während viele Tätigkeiten, die geschicktes Hantieren auf kleinem Raum erfordern (z. B. Klempnerarbeiten), in absehbarer Zukunft wohl noch nicht automatisiert werden können, sind andere (z. B. komplexe Betriebsprüfungen) bereits von intelligenten Maschinen übernommen worden.

Keiner dieser Einsatzbereiche bietet für die Menschen Anlass zur Sorge wegen KI, denn bislang können programmierte Roboter das feine menschliche Urteilsvermögen nicht ersetzen. Doch wir alle wissen: Wenn etwas möglich geworden ist, obgleich ethisch noch immer unerwünscht – wir können nicht verhindern, dass es irgendwann von irgendjemandem auch genutzt wird.

Diese Gefahr gilt nicht nur für KI, sondern für all die vielfältigen Bereiche menschlichen Strebens. Die durch Genkorrekturtechniken wie z. B. CRISPR-Cas9 eröffneten Möglichkeiten schaffen einzigartige ethische Probleme, nicht nur die Notwendigkeit zu entscheiden, welche Gene korrigiert werden sollten, sondern auch wie und wann. Bei menschlichem Genom beschränken manche Länder solche Korrekturen auf somatische Zellen. Selbst das „Kurieren“ einer Form von Taubheit durch genetische Veränderung ist bislang noch hoch kontrovers. Technisch allerdings steht einer Modifizierung von Ei- oder Spermazellen zur Förderung gewünschter Eigenschaften wie Körpergröße oder Intelligenz allerdings nichts im Weg. Dass dies illegal wäre und/oder ethisch bedenklich ist, mag für viele Fachleute weiterhin eine Barriere darstellen, bei anderen hingegen können persönliche, nationale und finanzielle Vorteile schwerer wiegen. CRISPR ist bereits eingesetzt worden, um menschliche Embryonen zu verändern – sind wir da von der Ära der Designerbabys und Mensch-Tier-Mischwesen wirklich noch weit entfernt?

Forscher erkunden auch das „enorme Potenzial“, „mit KI ausgestattete ,game changer‘ zu erschaffen“, um ökologischen Problemen einschließlich des Klimawandels zu begegnen, meldet das World Economic Forum in einem 2018 veröffentlichten Bericht. Doch die Autoren räumen ein: „KI-Technologie hat auch das Potenzial, viele der Risiken, mit denen wir heute konfrontiert sind, zu verbreitern und zu verschärfen.“ Dies betrifft Sicherheitsrisiken (z. B. Internetangriffe und Verletzungen der Privatsphäre aufgrund von Missbrauch), den Verlust von Arbeitsplätzen und die Gefahr, dass KI für Straftaten genutzt wird.

Es wird Interesse daran geben, Maschinen mit Willen zu erschaffen, deren Interessen nicht die unseren sind. […] Ich denke, die Vorstellung einer Frankenstein-KI, die sich gegen ihre Schöpfer wendet, verdient, ernst genommen zu werden.“

Journalist und Sachbuchautor William Poundstone in seiner Antwort auf die Jahresfrage 2015 von The Edge: „Wie denken Sie über Maschinen, die denken?“

Angesichts der Fortschritte von KI äußerte der berühmte Physiker Stephen Hawking 2014 in einem BBC-Interview sogar: „Die Entwicklung vollständiger künstlicher Intelligenz könnte das Ende der Menschheit bedeuten.“

Gemeint ist damit, dass die durch unsere Technik möglich gewordene umgestaltete Welt die Menschheit an die Schwelle großer Fortschritte, aber auch existenzbedrohender Katastrophen bringt.

Wird es künftig geboten sein, zu manchen Entwicklungen vereint Nein zu sagen? Dies ist die erste von zwei Fragen, die sich aus biblischer Sicht stellen. Sie sind nicht „religiös“ in einem Sinn, der manche Menschen von allem abschreckt, was mit Glauben zu tun hat, sondern realitätsbezogen, da sie unser physisches Leben und Überleben betreffen.

Die erste Frage hat Bezug zu einer Zeit, in der Menschen sowohl dank eines gemeinsamen Ziels als auch einer gemeinsame Sprache technisch viel erreicht hatten. Im frühen urbanisierten Babylon wurde ein hoher Turm gebaut, der symbolisch den Herrschaftsbereich Gottes herausfordern sollte. Der Bericht hierüber endet damit, dass die weitere Entwicklung blockiert wird, denn „dies ist der Anfang ihres Tuns; nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun“ (1. Mose 11, 6). Sie hätten einen anderen Weg wählen und sich dagegen entscheiden können, „Gott zu spielen“. Doch auf ihre Selbstüberhebung hin musste Kontrolle in irgendeiner Form von außen durchgesetzt werden, so wurden die Menschen zerstreut, ihre Sprache verwirrt.

Die zweite Frage, die sich stellt, ist, wie sich im menschlichen Handeln Gut und Böse beurteilen lässt. Gibt es einen allgemeingültigen Standard, an dem man gutes und böses Tun messen kann? Mehr als je zuvor können wir heute bekennen, dass das Problem unserer Technik, die zum Guten und zum Bösen eingesetzt werden kann (Doppelnutzung), von der egoistischen Seite im Wesen des Menschen herrührt.

Zwischen 2015 und 2017 kam regelmäßig eine internationale Gruppe von Fachleuten zusammen, die sich mit diesem Thema befasste, über die Ethik von gentechnischen Eingriffen in die menschliche Keimbahn beriet und eine Erklärung über Standards erarbeitete. Das Problem, erkannte das Gremium, besteht in der fehlenden Gewährleistung deren weltweiter Einhaltung. Dazu schrieb es: „In manchen Ländern mit inadäquater Überwachung durch Ethikkommissionen oder starke institutionelle Kontrollgremien (institutional review boards, IRBs) ist das Missbrauchspotenzial gegeben.“ Mit anderen Worten: Ohne ein allgemeingültiges Regelwerk und ein System zu dessen Durchsetzung kann unsere Technik nicht reguliert werden, ist das Chaos  schon erwartbar.

Ein solches weltweites Regelwerk ist enthalten im biblischen Gebot der Liebe, das die Liebe zu Gott als dem Schöpfer wie auch zum Nächsten, zum Mitmenschen, meint. Künstliche Intelligenz kann menschliche Intelligenz gewiss steigern, aber nur der im Menschen wirksame Geist Gottes kann uns geistlich so „intelligent“ machen, dass wir ethisch und in Frieden mit allen leben.