George Washington - der Mann, der nicht König sein wollte

Diese Ausgabe von Vision untersucht das Leben von zwei Männern, die sehr unterschiedliche Typen von Führerschaft darstellen. Der eine sucht niemals die Macht, der andere glaubte daran, dass man sich ihrer bemächtigen müsse. 

George Washington wurde 1732 in Bridges Creek, Virginia geboren und war das älteste von sechs Kindern der zweiten Frau seines Vaters. Außerdem hatte er vier ältere Halbgeschwister aus dessen erster Ehe. Als Washington 11 Jahre alt war, starb sein Vater; sein gutsituierter Halbbruder Lawrence und seine Frau Anne übernahmen die Vormundschaft.

Als Washington 20 war, waren Lawrence und Anne gestorben, und er erbte ihr Anwesen in Mount Vernon. Der junge Mann wurde ein angesehener Farmer und verdiente sich bei seiner Mitwirkung in der Lokalpolitik den Ruf großer Integrität.

Im Jahr 1753 wurde er zum Major der südlichen Miliz ernannt und beauftragt, die Franzosen zu verwarnen, die vom Ohio Valley her die britischen Kolonien bedrängten. Trotz erheblicher Hindernisse gelang es ihm, die Verwarnung zu überbringen, und er wurde im zarten Alter von 22 Jahren zum Oberstleutnant befördert. Im nächsten Jahr marschierte er mit seinem Regiment gegen die Franzosen, die mit den Indianern verbündet waren. Trotz einiger Erfolge wurde er in der ersten größeren Schlacht des Französisch-Indianischen Krieges geschlagen und mußte sich ergeben.

Danach diente Washington unter General Braddock, dessen Truppen dann bei Fort Duquesne (später Fort Pitt, aus dem dann Pittsburgh wurde) eine katastrophale Niederlage erlitten. Doch Washingtons großer Mut und ruhige Haltung trugen wesentlich dazu bei, die Expedition vor der völligen Vernichtung zu retten, und er führte die Überlebenden aus der Schlacht. Wie durch ein Wunder war er einer der wenigen nicht verwundeten Offiziere.

Zurück in Virginia, wurde er bald darauf zum Oberkommandierenden der Verteidigungstruppen von Virginia ernannt und beauftragt, die Grenze gegen eindringende Indianer und Franzosen zu verteidigen. Am Ende der Feindseligkeiten quittierte Washington seinen Dienst, kehrte nach Mount Vernon zurück und heiratete im Januar 1759 Martha Custis. Sie brachte zwei Stiefkinder und erheblichen Wohlstand in die Ehe ein. Im Lauf der nächsten 15 Jahre bewies er sich als erfolgreicher Unternehmer und Gutsbesitzer und wurde einer der reichsten Männer der Kolonien. Einen großen Teil seiner Zeit widmete er der Lokalpolitik.

Seine nationale Karriere entwickelte sich aus seinem hochherzigen und prinzipienfesten Eintreten für die Freiheit von der britischen Herrschaft. Er wurde sowohl in den ersten als auch in den zweiten Continental Congress gewählt und engagierte sich im Organisieren von freiwilligen Soldaten und Material für den bevorstehenden Konflikt, den er als unausweichlich sah. Als der Unabhängigkeitskrieg dann 1775 ausbrach, wurde er zum Oberkommandierenden gewählt und beauftragt, die verschiedenen Milizen der aufständischen Kolonien zu einer einheitlichen Truppe zu vereinen. Er nahm den Posten an, lehnte aber jeden Sold ab und erklärte, er halte sich nicht für qualifiziert - er nehme nur an, weil der Beschluss, ihn zu bitten, einstimmig gewesen war.

Nachdem die Briten 1776 in Boston besiegt worden waren, hoben die dreizehn Kolonien gemeinsam die Vereinigten Staaten von Amerika aus der Taufe und verkündeten ihre historische Unabhängigkeitserklärung. Doch der Krieg dauerte an. Erschöpft durch Niederlagen, widriges Wetter und chronischen Mangel an Waffen und Munition machte Washington seinen ermatteten Truppen Ende 1777 bei Valley Forge Mut und inspirierte sie, durchzuhalten, bis sich ihre Niederlagen schließlich zum Sieg wendeten.

Washingtons Führungsgenie lag in seinem großen Mut, seiner unbeirrbaren Entschlossenheit auch angesichts des scheinbar Unmöglichen und seiner absoluten Weigerung, Niederlagen hinzunehmen.

Mit dem Ende des Unabhängigkeitskrieges im Jahr 1783 quittierte Washington wiederum seinen Dienst und zog sich nach Mount Vernon zurück. Von dort aus arbeitete er unermüdlich und selbstlos für eine starke Staatenunion unter einer gemeinsamen Führung.

Im Jahr 1786 wurden die Staaten zu einer gesetzgebenden Versammlung (Convention) in Annapolis eingeladen, um die ursprünglichen Konföderationsgesetze zu ändern und eine effektive Zentralregierung zu schaffen; doch es kam keine beschlussfähige Mehrheit zustande. Das Scheitern dieser Versammlung führte zur Philadelphia Convention im folgenden Jahr. Als ihr Vorsitzender trug Washington entscheidend dazu bei, daß dann die Konföderationsgesetze zugunsten einer Verfassung aufgehoben wurden.

Im Lauf der Versammlung spalteten sich die Delegierten jedoch in zwei gegnerische Parteien. Washington war der einzige Mann, der die Achtung beider Parteien genoss, und so wurde er 1789 einstimmig zum ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. Mit einigen Vorbehalten stimmte er zu, ins öffentliche Leben zurückzukehren. Vier Jahre später wurde er überzeugt, dass nur er die Einigung der Nation weiter voranbringen konnte, und wurde für eine zweite Amtszeit gewählt.

Aus Enttäuschung darüber, dass Parteipolitik zum festen Bestandteil der Regierung der jungen Nation geworden war, lehnte Washington die Kandidatur für eine dritte Amtszeit ab und zog sich wiederum auf sein geliebtes Anwesen in Virginia zurück.

Dies war wirklich ein Mann von Seltenheitswert, der alle Fähigkeiten hatte, um seine Untergebenen zu inspirieren – ein Mann, der wußte, was eine Niederlage bedeutete und wie man das Beste aus ihr machte.

Er war wirklich ein Mann von Seltenheitswert, der alle Fähigkeiten hatte, um seine Untergebenen zu inspirieren - ein Mann, der wusste, was eine Niederlage bedeutete und wie man das Beste aus ihr machte. Und er war unerschütterlich: Er verband die Waffen der Klugheit und Gerechtigkeit mit denen der Beharrlichkeit und Entschlossenheit.

Obwohl selbst kinderlos, wurde Washington als „Vater seines Landes“ bekannt. Er gab den amerikanischen Kolonien die entscheidende Führung, als sie zur Unabhängigkeit durchbrachen.

Doch im Unterschied zu vielen anderen in Führungspositionen war Macht nicht seine eigentliche Motivation. Wie oben angemerkt, verließ er mehr als einmal ein öffentliches Amt, um wieder ein ruhiges, unauffälliges Leben auf seiner Plantage zu führen. Und als enttäuschte Soldaten einmal versuchten, eine Monarchie mit ihm als König auszurufen, leistete er erbitterten Widerstand.

In seiner ersten Antrittsrede in New York sagte Washington: „Angesichts der Größe und Schwierigkeit der Aufgabe, zu dem die Stimme meines Landes mich gerufen hat, ... konnte jemand, der sich seiner eigenen Mängel besonders bewusst sein sollte, ... nur von Mutlosigkeit überwältigt werden.“

Als er 1799 starb, feuerte die britische Kanalflotte 20 Salutschüsse ab - zum Gedenken an einen tapferen früheren Feind.