Wahrheit nach Maß: postfaktische Blasen

Lassen sich Menschen eher von objektiven Fakten oder von emotionalen Meinungen überzeugen? Reagieren sie positiver auf eine harte Wahrheit oder auf eine schmackhafte Lüge? Willkommen im postfaktischen Zeitalter.

In seiner Abschiedsrede an das amerikanische Volk nach acht Jahren im Weißen Haus bemerkte Barack Obama: „Wir fühlen uns zunehmend so sicher in unseren Blasen, dass wir nur noch die Informationen akzeptieren – ob sie nun richtig oder falsch sind –, die zu unseren Meinungen passen, statt unsere Meinungen auf die Beweise zu stützen, die es gibt.“ Über die Gefahr einer immer stärker fragmentierten Gesellschaft sagte der scheidende Präsident: „Für zu viele von uns ist es sicherer geworden, uns in unsere eigenen Blasen zurückzuziehen, ob in unserer Wohngegend, auf dem College-Gelände, in Gotteshäusern oder insbesondere unseren sozialen Medien, umgeben von Leuten, die aussehen wie wir, die unsere politische Weltsicht teilen und niemals unsere Annahmen in Zweifel ziehen.“

Es ist interessant, Obamas Beobachtung und Warnung mit der Antrittsrede eines anderen US-Präsidenten zu vergleichen. John F. Kennedy sprach 1961 die berühmten Worte: „Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann – fragt, was ihr für euer Land tun könnt.“ Damit drückte er aus, dass es die Aufgabe von Politikern sei, Bürger zu altruistischem Dienen zu führen, fort von einer auf das Eigeninteresse beschränkten Erwartungshaltung gegenüber dem Staat. Können wir uns auch nur vorstellen, dass unsere Politiker heute in dieser Weise an ihre Wähler appellieren?

Was hat sich so radikal verändert, dass Menschen immer mehr in Blasen von Eigennutz und Selbstbestätigung abdriften? Da sie mit dem postfaktischen Echo in diesen Blasen zufrieden sind, scheint klar zu sein, dass jedes Gespür für die unbeugsame Wahrheit oder eine Verpflichtung, sie zu suchen, gefährlich bedroht ist.

Die neue Aufklärung

Im Aufklärungsmodell des 18. und frühen 19. Jahrhunderts war die Vernunft die letztgültige Grundlage von Autorität und Legitimität. Es war ein Quell neuer Gedanken: Freiheit, Toleranz, Fortschritt, verfassungsmäßige Regierung, Trennung von Kirche und Staat. Im alten Modell der Herrschaft von Gottes Gnaden bedeutete Widerspruch gegen den Monarchen Widerspruch gegen Gott. Mit der Aufklärung wurden die allmächtigen Monarchien weggefegt (manchmal durch eine blutige Revolution) und von Regierungen durch und für das Volk abgelöst. Doch auch diese Regierungen, schrieb der englische Philosoph John Locke (1632–1704), sollten Beschränkungen unterliegen: Gemäß dem Prinzip des Gesellschaftsvertrags müsse das Gewissen des Einzelnen außerhalb der Kontrolle der Regierung bleiben.

Obamas Worte verweisen auf etwas, was man als neue „Aufklärung“ bezeichnen könnte oder zumindest als eine Wiederaufbereitung alter Aufklärungsprinzipien. Die neue Version verzichtet auf die Vorstellung einer rationalen, faktischen Wahrheit und ist stattdessen bereit, eine schmackhafte postfaktische Aussage zu akzeptieren.

Aber ist postfaktisch nicht einfach ein Synonym für unwahr? Ja und nein. Die Unwahrheit zu sagen – zu lügen – hat eine lange, traurige Geschichte, die bis zum Garten Eden zurückreicht. Menschen haben zu jeder Zeit und in allen Lebensbereichen gelogen; der Unterschied liegt in unserer gestiegenen Bereitschaft, solche Lügen heute zu akzeptieren. Es geht um eine Veränderung in uns und unseren Rückzug in beruhigende, abgespaltene Sphären ansprechender Vorstellungen und Meinungen, unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt. Die neue Aufklärung stammt von Leuten, die sich eher einer emotional aufgeladenen Aussage anschließen, die ihren vorgefassten Meinungen entspricht, als ihre Ansichten durch Fakten bestimmen zu lassen.

Das Kunstwort postfaktisch verweist darauf, dass es heute zunehmend um Emotionen anstelle von Fakten geht. Immer größere Bevölkerungsschichten sind in ihrem Widerwillen gegen ‚die da oben‘ bereit, Tatsachen zu ignorieren und sogar offensichtliche Lügen zu akzeptieren. Nicht der Anspruch auf Wahrheit, sondern das Aussprechen der ‚gefühlten Wahrheit‘ führt zum Erfolg.“

Gesellschaft für deutsche Sprache über die Wahl von „postfaktisch“ zum Wort des Jahres 2016

Beispiele aus jüngster Zeit gibt es in Hülle und Fülle, und die Anzeichen häufen sich, dass emotionslose Fakten immer weniger ankommen. In England scheint die Kampagne für den Verbleib in der EU vor der Volksabstimmung 2016 unter dem Gewicht ihrer eigenen Fakten untergegangen zu sein und gegen die simple und emotionale Rhetorik der Brexit-Befürworter verloren zu haben. Auch aus dem erwarteten überwältigenden Sieg der Konservativen bei der Wahl 2017 wurde nichts. Als kritischer Moment in ihrem Wahlkampf wird oft ein bestimmter BBC-Fernsehauftritt der amtierenden Premierministerin genannt: Als eine Krankenschwester klagte, sie habe seit acht Jahren keine Gehaltserhöhung bekommen, bemerkte Theresa May, die Ausgaben im öffentlichen Sektor müssten konsolidiert werden, statt Verständnis oder Mitgefühl zu zeigen. Daraufhin wurde sie als emotional distanziert gebrandmarkt, was sich eindeutig zu ihren Ungunsten auswirkte.

Im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahl von 2016 fragten sich Kommentatoren, wie wählbar der umstrittene Donald Trump wohl sein werde. Doch sein populistischer, unverblümter Ton und seine derbe Art der Empathie kamen bei den Wählern offenbar an. Einfach zu sprechen, nicht unbedingt die Wahrheit zu sagen bekam eine neue Bedeutung; Wähler auf beiden Seiten schienen emotionale Rhetorik stärker zu gewichten als empirische Fakten. Das Modell für diese postfaktische Herangehensweise wurde kristallklar, als eine von Trumps ranghöchsten Mitarbeiterinnen von „alternativen Fakten“ sprach, als ob sorgfältig ausgewählte Gegen-„Fakten“ den gleichen Wahrheitsgehalt hätten. Im Klima der neuen Aufklärung steht es dem Einzelnen frei, aus einem Angebot von Süßigkeiten diejenige auszuwählen, die seine persönlichen, emotionalen Bedürfnisse befriedigt, ohne sich erst um die Qualität der Leckerei kümmern zu müssen, die er da zu sich nimmt. Diejenigen, die nach Macht streben, sind sich dessen zunehmend bewusst und offenbar willens, die Fakten so zu formen, dass sie den Wählern passen. Dies ist ein Übergang zu einer neuen Erkenntnistheorie bzw. zu neuen Vorgehensweisen der Bestimmung, was Wahrheit ist. In vielfacher Hinsicht ist die neue Aufklärung die logische Folge der postmodernen Reduktion des Wahrheitsbegriffs, sodass Wahrheit nur noch Bestandteil des Skripts ist – die scheinbare Verflüchtigung der Wahrheit in einem Geflecht des Relativismus.

Aber warum legen die Menschen anscheinend keinen Wert mehr auf die Wahrheit?

Der Zusammenbruch des Vertrauens

Vertrauen in die Welt der Politik war immer eine unsichere Angelegenheit, die leicht in sich zusammenfiel. Doch in der Folge der Finanzkrise von 2008 tat sich offenbar ein neuer Abgrund auf, in dem die letzten Spuren von Vertrauen verschwanden. Als die Schuldenblase schließlich platzte, wurden riesige Finanzinstitute mit Steuergeldern gestützt, damit das System weiter Gewinne machen konnte. In England folgten auf den Zusammenbruch 2009 der Skandal um die Ausgaben von Parlamentariern, der Skandal um den Interbankenzinssatz LIBOR, eine Litanei von Skandalen um sexuellen Missbrauch durch Prominente und die Schuldzuweisung der Medien für den Hacking-Skandal. Enttäuschung über Politiker und politische Ideologien sowie Abstürze sogenannter Stars gehören in aller Welt zum Alltag. Wenn sich die Worte von Mitgliedern der Gesellschaft, denen man einst vertraute, immer wieder als Lügen erweisen, wie kann dann irgendjemand irgendetwas darauf geben, was im Namen der Wahrheit gesagt wird?

Es ist wohl unvermeidlich, dass der Zusammenbruch des Vertrauens ein Vakuum hinterlässt, in dem sich jede Meinung als Wahrheit verkleiden und ungehindert schaulaufen kann. Im Zeitalter von „Fake News“, „Lügenpresse“ und wiederbelebten Verschwörungstheorien haben Lügen Hochkonjunktur. Außerdem haben sie bessere Chancen, ein offenes Ohr zu finden und sich dort festzusetzen. Die Diskreditierung der Medien, der Politiker, der Regierungsmaschinerie, von Kommerz, berühmten Prominenten und Entertainern hat die Demokratie selbst angreifbar gemacht. Wenn nun von irgendeiner Autorität behauptete Fakten jenseits aller Glaubwürdigkeit sind, was formt dann die öffentliche Meinung?

Digitale Echokammern

Ohne Zweifel fördert die digitale Revolution die Blasen, auf die Obama als Gefahr für die Gesellschaft hinwies. In einer Rede vor der Royal Society of Arts (RSA) in London im Juni 2017 bestätigte der Journalist Matthew d’Ancona, Autor von Post-Truth: The New War on Truth and How to Fight Back, dass das postfaktische Zeitalter blüht und gedeiht, „als ob die Brandschutzmauern und Antikörper […] unseres Systems geschwächt wären“. Diese Veränderung, sagte er, werde von dem digitalen Umfeld vorangetrieben, das „Echokammern“ bereitstelle, in die sich jeder Einzelne zurückziehen könne, leicht gemacht durch die einfache Bedienung und die Anonymität unserer inzwischen allgegenwärtigen Technologie. Komplexe Algorithmen „sollen uns mit Dingen verbinden, die uns gefallen oder gefallen könnten“, und dann können wir mit nur ein paar Klicks unsere Meinungen in alle vier Himmelsrichtungen schicken. Der Grund? Die neue Aufklärung ist auf Kommerz aufgebaut, nicht auf irgendeinem Wert für die Wahrheit – den hehren Zielen zum Trotz, denen die entstehende Technologie ursprünglich dienen sollte.

Das ist kein Konstruktionsfehler; das ist keine unbeabsichtigte Folge. Es ist das, was die Algorithmen tun sollen. […] Sie reagieren fantastisch auf persönlichen Geschmack, und sie sind fantastisch blind – bis jetzt – für Wahrhaftigkeit.“

Matthew d’Ancona, „The War on Truth“ (RSA-Vortrag, Juni 2017)

D’Ancona bemerkte: „Nie war das alte Sprichwort so zeitgemäß und so besorgniserregend, dass eine Lüge um die halbe Welt reist, während die Wahrheit sich noch die Stiefel anzieht.“ Das Internet sei „eine Art Traumvektor für das Postfaktische“, wo Fake News und Verschwörungstheorien über so unterschiedliche Themen wie den Holocaust, die Politik von US-Präsidenten und den Klimawandel auf ein neues Maß an Bereitschaft stoßen, sie hinzunehmen und zu glauben. So ergab eine Ipsos-Umfrage bei über 3 000 Amerikanern im Dezember 2016, dass rund 75 % der Befragten, die eine bestimmte Fake-News-Story kannten, sie für wenigstens teilweise wahr hielten.

post|fak|tisch zu einer Entwicklungsstufe gehörend, in der die Bedeutung von Tatsachen stark abnimmt; unabhängig von Wahrheitsgehalt oder Realität“

Duden (2017)

David Smith, Korrespondent des Guardian in Washington, kommentierte die Bemerkung des scheidenden US-Präsidenten über „Blasen“ wie folgt: „Obama geht post mortem eines der heißen Wahlkampfthemen an. Es wurde viel kommentiert, wie sich Konservative und Liberale in gegenseitig ausschließende ,Blasen‘ aufteilten, sich in Facebook-Gruppen in ihren Meinungen bestärkten, Nachrichten konsumierten, die zu ihren vorgefassten Meinungen passten. Der Präsident hat schon zuvor angemerkt, dass es vor einer Generation die dominanten Fernsehsender waren, die allgemein anerkannte Fakten servierten. Die derzeitige Landschaft erfüllt alle Voraussetzungen für eine ,postfaktische‘ Selbstbedienung mit freier Auswahl der Wahrheit und immer größere Polarisierung.“

Technologieimperien

Das Modell der Onlinewerbung ist immer mehr auf die Anpassung an unsere persönlichen Wünsche ausgerichtet. Tatsächlich greifen die Algorithmen, die bestimmen, welche Werbung wir online sehen, auf eine atemberaubende Menge von Variablen zu. Martin Kelly, Geschäftsführer von Infectious Media, bietet einen Auszug aus der Liste: „Sprache, Tageszeit, Wetterlage, Standort und sogar Pollenflug vor Ort. Das Maß der Anpassung, das Werbern möglich ist, wächst mit jedem Tag.“ Die Grundlage der gesamten digitalen Wirtschaft ist die Realität, dass Umsatz von Klicks kommt, nicht von Wahrheit. Das Maß, in dem Finanzen und Kommerz bestimmen, was wir online sehen, nimmt also zu.

Es gibt fünf Technologiefirmen, die einen weit höheren Anteil unserer individuellen, personenbezogenen Informationen kontrollieren, als es jede Regierung, jeder Staat zuvor getan hat. Daher steigt ihr Nutzen für die Politik. Da es ihnen primär ums Geschäft geht, greifen sie unvermeidlich in hohem Maß personalisierte Daten über uns als Individuen ab und verkaufen sie an den Meistbietenden, zum Teil für politisches Targeting. Zwar gehört die Nutzung von Daten für gezielte Werbung von jeher zum politischen Prozess, doch angesichts dieser Größenordnung und Raffinesse in Kombination mit der Operationsweise dieser Technologieriesen hinter geschlossenen Türen könnte der Eindruck entstehen, dass sie den demokratischen Prozess untergräbt.

In einem Artikel vom Mai 2017 vermutete Carole Cadwalladr vom Observer undurchsichtige Verbindungen zwischen dem Datenunternehmen Cambridge Analytica LLC und seinem 90-prozentigen Anteilseigner und Trump-Unterstützer Robert Mercer sowie Steve Bannon, einem früheren Vizepräsidenten von Cambridge Analytica, der Trump-Berater wurde. Die Story, die auf legal von Facebook erlangten Daten beruhte, ist selbst Gegenstand von Klagen einiger Beteiligter. Es begann im Dezember 2016 mit einem Zitat von Alex Younger, dem Leiter des britischen Auslandsgeheimdiensts MI6: „Die Vernetzung, die das Herzstück der Globalisierung ist, kann von Staaten mit feindlichen Absichten ausgenutzt werden, um ihre Ziele zu begünstigen. [...] Die Risiken, um die es geht, sind erheblich und stellen eine grundlegende Gefahr für unsere Souveränität dar.“ Die wahrgenommene Gefahr für die Souveränität kann sich auch als Gefahr für Lockes Ideal erweisen, dass das Gewissen des Einzelnen von der Kontrolle der Regierung nicht angetastet werden darf.

Was sind die Optionen?

Kommentatoren, die die postfaktische Gefahr für die Gesellschaft erkennen, sind sich einig in ihrer Forderung nach Taten. Diese Taten, meint d’Ancona, müssten vielfältig sein. Ein erster Schritt bestünde darin, sicherzustellen, dass die professionelle Überprüfung von Fakten angemessen finanziert wird, um falsche Informationen zu bekämpfen. Weiterhin meint er, dass unter bestimmten Umständen der Rechtsweg eine Rolle spielen kann und für die großen Technologieunternehmen, bei denen die meisten Informationen liegen, Selbstregulierung das Richtige sein könnte. Außerdem findet d’Ancona, dass es ebenso wichtig werden sollte, kleine Kinder in der Unterscheidung von „Dichtung und Wahrheit“ zu unterrichten, wie sie lesen und schreiben zu lehren.

Es sieht allerdings danach aus, dass das Beharren auf Fakten allein nie genügen wird, um der Ausbreitung der postfaktischen Krankheit Einhalt zu gebieten. Die Menschen glauben vielleicht schon jetzt, dass Macht im Zeitalter der neuen Aufklärung jede ihr genehme Realität gestalten kann. Es wird immer mehr einer gewissen emotionalen Intelligenz bedürfen – kombiniert mit Fakten –, um Menschen zu erreichen, die bereits die einlullende Resonanz im Inneren ihrer Echokammern und Blasen erleben.

D’Ancona glaubt, dass „politische Demut“ und eine politische Ideologie, die einfach aufrichtig und ehrlich ist, wichtige Gegenmittel gegen den postfaktischen Trend sind. Diese Lösungen sind bekannt, aber wie schwer sind diese Dinge zu erreichen! Das alte Aufklärungsmodell suchte einen solchen Moralkodex zum Teil in der Bibel, aber nur bis zu einem gewissen Punkt; es lehnte Wunder ebenso ab wie die Auferstehung Jesu Christi und alles andere, das auf Übernatürliches verwies. Der dritte Präsident der USA, Thomas Jefferson, ging so weit, diejenigen Passagen des Neuen Testaments auszuschneiden und zusammenzusetzen, die seiner Meinung nach rational genug waren, um sie in sein Buch Life and Morals of Jesus of Nazareth aufzunehmen, als „sublimsten und menschenfreundlichsten Moralkodex, der dem Menschen je angeboten wurde“.

Doch die Bibel – in ihrer Gesamtheit – ist mehr als ein moralischer Diskurs. Sie ist auch eine Chronik der Menschen und ihres Eigenwillens, beginnend mit der Geschichte von Adam und Eva, die selbst bestimmen wollten, was wahr (gut) und falsch (böse) sei. Es folgt die Geschichte des alten Volkes Israel – der Bericht über ein Volk, das sich immer wieder gegen Gottes Weisheit entschied: „Jeder tat, was ihn recht dünkte“ (Richter 17, 6). Sie wollten nicht „die Weisung des Herrn“ hören, sondern „was angenehm ist“ und gemäß ihrem „Mutwillen“ (Jesaja 30, 9–11). Weiter berichtet die Bibel über „schlimme Zeiten“, die die Welt erleben sollte – eine Zeit, in der Autorität grundsätzlich missachtet würde, in der Verleumdung und Missachtung des Guten an der Tagesordnung sein und die Menschen nur sich selbst und das Geld lieben würden (2. Timotheus 3, 1–5). Haben wir diesen Punkt heute erreicht? Einen Punkt, an dem die Infrastruktur global genug ist, um zu gewährleisten, dass die ganze Welt den postfaktischen Lockungen von Profiteuren erliegt und sich in Echokammern zurückzieht, sodass jeder Einzelne nur das hört, was er oder sie hören will?

Jesus Christus lehrte, dass er „der Weg“ und „die Wahrheit“ ist (Johannes 14, 6). Und er hat auch gesagt, dass Gottes Wort – die Bibel – die Wahrheit ist (Johannes 17, 17). Doch was bedeutet das im Treibsand einer postfaktischen Welt, wo die Bibel der letzte Ort ist, an dem die Mehrheit der Menschen nach Antworten suchen würde? Vielleicht lohnt es sich, über d’Anconas Ansicht nachzudenken: Wenn wir nur eine Führung hätten, die demütig, aufrichtig und ehrlich wäre, kämen wir einer Lösung der Probleme, die uns zum postfaktischen Denken geführt haben, ein großes Stück näher. Selbst Menschen, die in Jesus nichts weiter sehen als eine exemplarische historische Figur, finden, dass die Charakterzüge Demut, Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit ihn gut beschreiben. Vielleicht lohnt es sich also, sich näher mit dem Buch zu befassen, das seine Lehren enthält – all das in dem größeren Kontext des uralten menschlichen Widerstands gegen die Wahrheit.