Werdegang eines Terroristen

Das Ziel des Terrorismus ist psychologisch: den Opfern Angst zu machen und ein Gefühl der Hilflosigkeit einzuflößen, um bestimmte Ergebnisse oder Verhaltensweisen zu erzwingen. Doch auch in den Terroristen sind psychische Kräfte am Werk, und Psychologen wie Politiker versuchen, sie zu verstehen. Wie wird ein Mensch Terrorist? Und wie kann man diesen Prozess anhalten?

Entgegen früheren Annahmen haben Forscher wenig Belege dafür gefunden, dass Terroristen an wirtschaftlicher Benachteiligung, mangelnder Bildung oder besonders starken psychischen Störungen leiden.

Fathali Moghaddam von der Georgetown University, ein Spezialist für die Beziehungen und Konflikte zwischen Gruppen, vergleicht den Werdegang eines Terroristen mit dem Aufstieg durch ein Treppenhaus, wo jede weitere Etage durch eine spezifische Denkweise gekennzeichnet ist. Im Erdgeschoss sind die Menschen verärgert, weil sie sich benachteiligt fühlen und bestimmte Wahrnehmungen von Gerechtigkeit bzw. Ungerechtigkeit haben. Diese können falsch sein, doch wenn es für solche Menschen keine Möglichkeiten zur Beteiligung an Entscheidungen und Veränderungen zu geben scheint, gehen sie in die nächsthöhere Etage. Wenn Zorn und Frustration immer weiter steigen, werden sie empfänglich für den Einfluss von Leitfiguren, die sie dazu bringen können, vermeintliche Feinde zu entmenschlichen und diese Gefühle auf sie zu übertragen.

Die wichtigste Wandlung“, schreibt Moghaddam, „ist eine allmähliche Einstellung auf die Moral terroristischer Organisationen; diese Menschen beginnen nun, Terrorismus als eine berechtigte Strategie zu sehen. Diejenigen, die sich vollständiger auf die Moral terroristischer Organisationen einstellen und in immer höhere Etagen gehen, lassen sich als aktive Terroristen rekrutieren.“ Als Nächstes akzeptieren sie eine polarisierte Mentalität – „wir gegen die anderen“ – und lernen, Hemmungen gegenüber Mord und Selbstmord zu umgehen.

Moghaddam zufolge lässt sich Terrorismus am besten vom Erdgeschoss aus verhindern, wo erstmals Ungerechtigkeit wahrgenommen wird. Die Psychologen Jessica L. Tracy und Richard W. Robins vermuten: „Für die Motivation von Sozialverhalten könnte Stolz die wichtigste menschliche Emotion sein. […] Verletzter Stolz ist die Wurzel vieler Hauptprobleme der Gesellschaft, z. B. von Problemen zwischen Gruppen und Terrorismus. […]“

Darüber, wie man mit Ungerechtigkeit und verletztem Stolz umgeht, herrscht keine Einigkeit, doch ist Moghaddams Schlussfolgerung kaum zu bestreiten: Terrorismus hat zwar psychische Ursachen, ist aber letztlich ein moralisches Problem. „Eine Lehre aus der Geschichte des Terrorismus ist, dass dieses moralische Problem nicht mit Technologie zu lösen ist“, schreibt er. „Diese Lehre steht im Widerspruch zu der heutigen Tendenz, für moralische Schwierigkeiten technologische Lösungen finden zu wollen.“