Risiko 2: Anfälligkeit für Tyrannei

Abgesehen von den potenziellen Risiken für die Moral ist die vorrangige Sorge bezüglich des Prozessmodells funktional: Wird es funktionieren? Eine abgeflachte Pyramide, die ein demokratischeres Modell ermöglicht, bedeutet, dass jemand bereit sein muss, Macht abzugeben oder bestenfalls zu teilen. Für politische Führer ist das nicht leicht. Sie können etwas dagegen haben, dass die hierarchische Struktur, die sie stützt, abgebaut wird.

In der Politik geht es immer noch hauptsächlich um Macht. Diese Macht kann zum Wohl der Menschen eingesetzt werden, sie kann aber auch destruktiv und aggressiv genutzt werden – je nach den Umständen. Manche Menschen sehen Macht als etwas, das für die Ordnung und das Wohl der Bürger notwendig ist. Andere sehen sie als Mittel, aus persönlichem oder nationalem Interesse andere zu steuern. Erleben wir den Beginn eines Paradigmenwandels, der unbeabsichtigte und ungewollte Folgen haben kann? Wird die Internationalisierung der politischen Führung eine harmonische Welt hervorbringen oder wird sie in Autokratie enden?  

Gideon Rachman, der für die Financial Times über die EU schreibt, hat es vielleicht auf den Punkt gebracht: „Generell hat die Union die schnellsten Fortschritte gemacht, wenn weitreichende Vereinbarungen durch Technokraten und Politiker getroffen und dann ohne direkte Einbeziehung der Wähler durchgesetzt wurden. Internationale Führung ist tendenziell nur dann effektiv, wenn sie antidemokratisch ist“ („And Now for a World Government“, 9. Dezember 2008).  

Doch nicht nur die verborgenen antidemokratischen Aspekte des Politik- und Wirtschaftsraums EU könnten zu einem autokratischen Ende führen. Jean Monnet, einer der Gründerväter der EU, sagte einmal: „Die Menschen akzeptieren Veränderungen nur, wenn sie mit der Notwendigkeit konfrontiert sind, und erkennen Notwendigkeit nur, wenn sie in einer Krise sind!“ Es war eine Krise, die Adolf Hitler innerhalb eines demokratischen Systems an die Macht brachte. Das Ergebnis war Tyrannei.