Was Denkmäler zu denken geben

Worum geht es uns in Wirklichkeit?

Warum stellen Menschen Standbilder und andere Denkmäler auf? Und warum wollen manche sie niederreißen?

Als Ikone bezeichnet zu werden, ist heute ein Gipfel des Erfolgs. Das Wort, in dem Anklänge an alte Kultbilder, Denkmäler und moderne Computerterminologie („Icon“) zusammenkommen, hat im 21. Jahrhundert eine neue Bedeutung angenommen. Prominente, historische Persönlichkeiten, Mode, Möbeldesign und Produktmarken haben diese Bezeichnung auf sich gezogen – oder es zumindest versucht.

Das Wort kommt aus dem Altgriechischen, aber die oben genannte, sehr spezielle Bedeutung ist weit jünger; sie stammt aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Die derzeitige Beliebtheit des Worts überschneidet sich – vielleicht nicht zufällig – mit einem wieder aufgelebten Interesse an einer besonderen Art ikonischer Bilder: Standbildern und Denkmälern.

Solche Objekte gibt es seit Jahrtausenden in aller Welt. Manche stellen einen Wert oder etwas Abstraktes symbolisch dar; andere sind konkreter, und oft ehren sie eine bestimmte Person. Einige wurden zur Selbstverherrlichung errichtet, manche zu Ehren eines anderen. Selten wurde ihr Sinn jedoch stärker hinterfragt als in den letzten Jahren; unsere Sicht der Geschichte wird unter politischen und kulturellen Aspekten diskutiert.

Wir leben in einer Zeit, in der die Symbole der Vergangenheit mit steigender Häufigkeit in Frage gestellt werden.“

Keith Lowe, Prisoners of History: What Monuments to World War II Tell Us About Our History and Ourselves (2020)

In einigen Fällen hat dieses Hinterfragen zu direkten Aktionen geführt: Zuerst wurde 2017 das Denkmal des amerikanischen Konföderiertengenerals Robert E. Lee in New Orleans entfernt, in der Folge erlebten dann andere das gleiche Schicksal – allein im Jahr 2020 über einhundert öffentliche Symbole für die Konföderierten. In Bristol in England wurde, ebenfalls 2020, das Denkmal des Kaufmanns und Sklavenhändlers Edward Colston umgestürzt. Und seit der Auflösung der Sowjetunion 1991 bauen Völker in ganz Ost- und Mitteleuropa Mahnmale aus der Sowjetzeit ab, die an den Sieg der UdSSR über Nazideutschland erinnern. Nach Russlands Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 hat diese Bewegung an Fahrt gewonnen. Lettland und Estland allein planen, Hunderte solcher Denkmäler zu zerstören oder zu versetzen. Als Gründe nennen sie nicht nur Moskaus aktuelle Aggression in der Ukraine, sondern die jahrzehntelange sowjetische Fremdherrschaft in der Ostseeregion, an die die Denkmäler ständig erinnern.

Unsere Welt hat breiten Zugang zu Wissen und drängt darauf, bestimmte Aspekte der Vergangenheit anhand neuer Informationen und gewandelter Werte neu zu beurteilen. Es führt unweigerlich zu Konflikten, wenn heutiges Wissen auf scheinbar unveränderliche Standbilder und Denkmäler angewandt wird, denn sie alle wurden in der Erwartung errichtet, dass das, wofür sie stehen, für immer wertgeschätzt würde. Doch sowohl die ältere Geschichte als auch jüngste Ereignisse zeigen, dass dieser Glaube naiv ist. In der Hitze der Diskussion vergisst man leicht, dass jedes dieser Denkmäler eigentlich nur ein Stück Stein oder Metall ist. Dennoch ist die Debatte selbst weit bedeutender, als wir vielleicht begreifen.

Wenn wir die Scheuklappen ablegen, die uns nur die Gegenwart sehen lassen, und Perspektive in der Geschichte suchen, bekommen wir einen hilfreichen Kontext für unsere Gedanken über diese Themen. Es lohnt sich, zu fragen: Worum geht es uns in Wirklichkeit, wenn wir über Denkmäler sprechen?

Standbilder, einst und heute

Was meinen wir mit Standbild oder Denkmal? Gehören dazu Skulpturen allgemein – Tiere, allegorische Figuren, sogar abstrakte Begriffe? Gehört Michelangelos David ebenso dazu wie die Steinköpfe auf der Osterinsel? Ist die sieben Tonnen schwere Statue Ramses’ II. mehr Standbild als die 2000 Jahre ältere kleine Plastik aus Ägypten, die vier Kühe darstellt? Kommt es auf das Material an – Holz, Marmor, Bronze, Ton, Beton?

Vier Kühe aus gebranntem Ton, ca. 3500 v. Chr., ausgegraben bei el-Amra, Oberägypten.

Creative Commons license mit freundlicher Genehmigung des British Museum; ©The Trustees of the British Museum

Seit Jahrtausenden stellen Menschen zu den unterschiedlichsten Zwecken dreidimensionale, geschnitzte und gegossene Bildwerke in enormer Zahl und Vielfalt her. Manche Zwecke sind schwerer festzustellen als andere. Historische Quellen über die beabsichtigte Funktion einer Figur sind nicht immer eindeutig interpretierbar, wenn überhaupt vorhanden. Doch selbst wenn sie klare Schlüsse erlauben, sind die ursprüngliche Absicht, die Größe, die Identität des Bildhauers und das verwendete Material nicht unbedingt die wichtigsten Faktoren.

Bedeutsamer ist die Langlebigkeit der verwendeten Materialien. Diese Objekte bestehen selten aus vergänglichen Substanzen. Ob Stein, Metall, Ton, Beton oder Holz, sie sollen eine lange Zeit überdauern. Implizit bedeuten sie etwas, dem ein hoher Wert beigemessen wird und das – so wird angenommen – diesen Wert lange über das Leben des Künstlers hinaus behalten wird.

Für viele ältere Kulturen dienten Standbilder einem religiösen Zweck. Die hebräische Heilige Schrift berichtet von animalistischen Standbildern, die für heidnische Kulte hergestellt wurden, z. B. dem des Philistergottes Dagon, der halb Mensch, halb Fisch war. Das Buch Daniel berichtet von einem riesigen goldenen Standbild, das der Babylonierkönig Nebukadnezar errichten ließ und das 27 Meter hoch war.

Im gesamten alten Orient war Kunst untrennbar von Religion und hätte ohne sie wenig Inspiration gefunden.“

Seton Lloyd, The Art of the Ancient Near East (1961, 2021)

Im Orient hatten viele Menschen kleinere Statuen von Gottheiten für den privaten Kult im Haus. Ähnliches galt und gilt für die vielen Jaina- und Buddhafiguren in Südasien. Die Buddhafigur wird als Hilfsmittel für die Meditation benutzt, um einen erwünschten Geisteszustand zu erreichen. Und manche Formen des Christentums haben Statuen und Statuetten von Jesus, Maria und anderen zur öffentlichen und privaten Verehrung.

Im Zusammenhang mit antiken Statuen denken die meisten Menschen zuerst an Griechenland und Rom. Die Griechen, so der französische Archäologe Philippe Bruneau, „betrachteten Skulpturen tatsächlich als ein herausragendes Merkmal ihrer Kultur.“ Die Figuren hatten meistens die Form menschlicher Körper, und fast immer dienten sie einem religiösen Zweck. Bruneau bemerkt: „Es waren fast nie Arbeiten, die ohne Auftrag geschaffen wurden, aus rein ästhetischen Gründen der Art, die wir heute Kunst nennen.“ Ein Standbild eines Gottes wurde beispielsweise oft in seinem Tempel aufgestellt. Dies sicherte die göttliche Anwesenheit und damit seinen Schutz für die örtliche Umgebung. Einige sehr alte griechische Statuen wurden sogar ohne Füße gefertigt, um sicherzustellen, dass der Gott nicht fortgehen konnte.

Im alten Ägypten wurden Statuen zur Verehrung, aber auch für Bestattungen verwendet. Oft dienten ägyptische Monumentalkunstwerke jedoch Zwecken, die moderner scheinen. Dem englischen Archäologen Seton Lloyd zufolge fungierten solche Werke oft als „Erinnerung“ an historische Ereignisse; sie hatten eine Bildungsfunktion und bestätigten gleichzeitig die bestehende Führung. Diese (unweigerlich tendenziöse) Verehrung von Machthabern und ihren Leistungen, die öffentliche Werte etablieren und verstärken sollte, wurde dann ab dem 18. Jahrhundert die Norm.

In der Renaissance war man indessen bestrebt, die Schönheit der klassischen griechischen und römischen Skulptur wieder aufleben zu lassen, zunehmend aus Freude an der Kunst selbst. In dieser Epoche mit ihrem Weltbild, dessen Mittelpunkt der Mensch war, verloren Statuen weitgehend ihre religiöse Funktion, obgleich sie oft weiterhin biblische Themen darstellten. Doch der Aufstieg der Anthropozentrik war unverkennbar. Künstler wurden selbst (im modernen Jargon) „ikonische“ Figuren, und Größen wie Michelangelo und Donatello sind noch heute Berühmtheiten.

In den nachfolgenden Jahrhunderten wurden Standbilder und andere Denkmäler in Europa zunehmend eine öffentliche Demonstration politischer Stärke. „Kunst ist das Lieblingsinstrument der Macht“, schreibt die Kunsthistorikern Geneviève Bresc-Bautier. Im 19. Jahrhundert trug zunehmendes Selbstvertrauen in Europa zu einer explosionsartigen Vermehrung von Standbildern zu Ehren zeitgenössischer und historischer Persönlichkeiten bei. Die Beziehung der Bildhauerkunst zur Geschichte – ein zentraler Aspekt der aktuellen Debatte – war nun fest etabliert.

Hier finden wir allerdings auch die wesentliche Schwäche: Als Wissenschaft beruht Geschichte im Idealfall auf einer Basis von Fakten, aber sie ist immer Voreingenommenheiten, bestimmten Perspektiven und neuen Erkenntnissen unterworfen. Menschen, die dies verkannten, versuchten, ihre Version der Geschichte in einem unbeweglichen Objekt unsterblich zu machen. Sie waren sicher: Das, was sie in ihm sahen, werde relevant bleiben. Die Torheit eines derartigen Stolzes, dieses Vertrauens auf das eigene Verständnis, zeigt sich in Legionen grandioser, nun allerdings weitgehend ignorierter Denkmäler aus dieser Epoche in aller Welt.

Bedeutungswandel

Ein glänzendes Beispiel dafür, wie Statuen für verschiedene Menschen verschiedene Dinge darstellen können, ist das Grab eines chinesischen Generals aus dem achten Jahrhundert. Liu Tingxun füllte sein Grab unter anderem mit 13 Keramikfiguren von 60 bis 110 cm Höhe. Diese Statuetten sollten das Grab schützen und anderen im Jenseits seine Leistungen verdeutlichen. Zusammen mit einem selbstverherrlichenden schriftlichen Nachruf vermitteln sie einen spektakulären Eindruck vom Leben des Generals. Wie der Historiker Neil MacGregor schreibt, stellten die Figuren sein Ticket zum Jenseits dar, adressiert an „die Richter der Unterwelt, die seinen Rang und seine Fähigkeiten erkennen und ihm den prestigeträchtigen Platz unter den Toten geben würden, der ihm gebührte.“

Zusammen geben uns Figuren und Text einen faszinierenden Einblick in das China von vor 1300 Jahren; vor allem aber sind sie eine schamlos unverhohlene Aufforderung zu ewiger Bewunderung und Anerkennung.“

Neil MacGregor, A History of the World in 100 Objects (2012)

Für uns im Westen haben die Figuren eine andere Bedeutung. Sie sind historische Artefakte, die uns einen Blick nicht nur auf Liu Tingxun, sondern auch die Tang-Dynastie bieten – ein goldenes Zeitalter für China, in dem seine Kultur den größten Teil der restlichen Welt übertraf. Für viele Chinesen bedeuten die Statuen heute sogar noch mehr: Sie sind Zeugnisse eines Gipfels nationaler Größe.

Was uns Dinge bedeuten, ändert sich im Lauf der Zeit, auch von Person zu Person und von Gesellschaft zu Gesellschaft. Viele Bedeutungen und Sichtweisen können nebeneinander bestehen, aber die Vielfältigkeit und Wandelbarkeit der Meinungen stellen ein Problem dar, wenn sie dem kalten, harten Äußeren eines Denkmals gegenüberstehen.

Die aktuelle Debatte

Die Denkmäler, die in letzter Zeit Aufmerksamkeit erregt haben, sind jüngeren Datums. Edward Colston und Robert E. Lee wurden für Werte gepriesen, die denen, die ihre Standbilder aufstellten, ewig schienen. Doch Colston und Lee waren Menschen mit unvermeidlichen Komplexitäten, und so konnten unbewegliche Standbilder ihr Leben niemals vollständig wiedergeben. „Eines der Probleme mit figurativen Denkmälern“, so Lowe, ist, dass „sie Historie oft zu sehr vereinfachen. In dem Bemühen um eine einzige, dramatische Geschichte über unsere Vergangenheit können sie andere, nuanciertere Geschichten verdunkeln.“ Was die Denkmäler für Colston und Lee ausgelassen haben – insbesondere ihr Vermächtnis in Bezug auf Rasse und Rassismus –, ist der Kern des Anstoßes, der im 21. Jahrhundert an ihnen genommen wird.

Das beschmierte Denkmal des englischen Wohltäters und Sklavenhändlers Edward Colston, ausgestellt im M Shed in Bristol, England, nachdem es am 7. Juni 2020 von Demonstranten niedergerissen worden war.

Foto: Adrian Boliston, CC BY 2.0, über Wikimedia Commons

Ein wichtiger erster Schritt für uns alle ist, zu verstehen, was ein Denkmal ist und was nicht. Eigentlich ist es ein Gebilde aus Stein oder einem anderen Material. Von Anfang an zieht es Deutungen und Bedeutungen an, über die sich die Öffentlichkeit oder einzelne Personen einig sein können. Oft feiert oder ehrt es eine Person, Tugend oder Vorstellung. Die Parallele zu dem modernen Begriff „Ikone“ ist klar; aber während „ikonische“ Assoziationen mit einer Berühmtheit oder Marke formbar, oft komplex und vergänglich sind, ist ein Denkmal unbeweglich, vereinfachend und langlebig. Und wenn ein Denkmal oder Standbild an eine bestimmte Person oder Begebenheit erinnert, kann seine Bedeutung erheblich von dem Quellenmaterial abweichen.

Widerstreitende Deutungen sind eine Herausforderung für uns alle. Es ist unabdingbar, dass wir bedenken, welche Bedeutung wir solchen Denkmälern beimessen, ob sie wirklich so wichtig sind und wie wir das anderen vermitteln.

Mit einem Standbild wird oft menschlicher Leistung ein Denkmal gesetzt, das über den Tod hinaus Bestand haben soll. Der Drang, ein Vermächtnis zu hinterlassen, das nach uns weiterlebt, ist stark. Er manifestiert sich in Kunst, gemeinnützigen Stiftungen, Nachlässen und selbst dem, was unsere Kinder erreichen. Er ist eine Empfindung, die viele von uns teilen, und das macht die Zerstörung eines solchen Vermächtnisses (selbst wenn es nicht unseres ist) besonders brutal – ein regelrechter Tiefschlag.

Allerdings gilt das nicht nur für Denkmäler. Gebäude, Pyramiden, Tempel und andere Bauwerke wie der Tadsch Mahal oder der Big Ben, aber auch die Benin-Bronzen sind in gewisser Weise Bestandteile einer kollektiven menschlichen Identität. Dies ist einer der Gründe dafür, dass so viele Menschen trauerten, als die Kathedrale Notre Dame in Paris brannte oder als im syrischen Bürgerkrieg antike Bauten zerstört wurden, obgleich viele diese Orte nie selbst gesehen hatten.

Ein Denkmal ist jedoch – trotz gegenteiliger Behauptungen – nicht selbst Geschichte. Wie die Historikerin Alex von Tunzelmann schreibt, ist es „nicht eine Überlieferung von Geschichte, sondern von geschichtlichem Gedächtnis“. Das bedeutet, es hält fest, wie eine Person nach der Ansicht seiner Urheber in Erinnerung bleiben sollte, nicht wer diese Person wirklich war. Die Zerstörung eines Denkmals löscht oder vernichtet Geschichte in keinem Sinn dieser Begriffe; wenn überhaupt, fügt sie einer fortlaufenden Geschichte ein Kapitel hinzu. Die historische Überlieferung bleibt, ob das Denkmal überdauert oder nicht.

Doch es gibt aktuell die Vorstellung, Altes sollte bewahrt werden, weil es alt ist. In einer Wegwerfgesellschaft, wo der Kapitalismus die Hersteller von Gütern mit begrenzter Lebensdauer belohnt, ist es natürlich, der scheinbaren Dauerhaftigkeit der guten alten Zeit nachzutrauern. Aber das ist eine ziemlich moderne Vorstellung. In Bezug auf Denkmäler haben sich manche Politiker für „Erhalten und Erklären“ ausgesprochen – man lässt die Denkmäler stehen, versieht sie aber mit zusätzlicher Beschilderung, die den größeren Zusammenhang erläutert. Das mag seine Meriten haben, fühlt sich aber auch wie eine Lösung an, die vor allem Wähler auf beiden Seiten der Debatte beschwichtigen soll.

Sollten Denkmäler erhalten werden, nur weil sie alt sind? Das ist eine bedenkenswerte Frage, und bedenkenswert ist auch, dass sie abzubauen und zu zerstören, nichts Neues ist. Ein Lenin-Denkmal in Kiew war nur eines der bekanntesten, das in der Ukraine nach der Sowjetzeit fiel; das Denkmal des irakischen Staatschefs Saddam Hussein in Bagdad wurde 2003 vom Sockel geholt; das Standbild des belgischen Königs Leopold II. in Kinshasa wurde zweimal entfernt, 1966 und noch einmal 2005; nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in Deutschland Nazistatuen zu Hunderten entfernt oder zerstört; das Londoner Standbild des Herzogs William von Cumberland kam 1868 fort, und in der damaligen britischen Provinz New York überdauerte die Statue von König Georg III. nur sechs Jahre, bevor sie 1776 enthauptet und verunstaltet wurde – ganz zu schweigen von den zahllosen Denkmälern, die im Lauf der Jahrhunderte von feindlichen Truppen verunstaltet oder zerstört wurden oder die schonender in Museen oder andere öffentliche Räume umgesetzt wurden.

Jedes dieser Denkmäler wurde aus stark empfundenen Gründen entfernt. Worum es aber letztlich geht, abgesehen von künstlerischen Überlegungen, ist nicht das Standbild selbst. „Ein Denkmal aufzustellen, ist ein machtvolles Symbol. Eines abzureißen, auch“, schreibt Frau von Tunzelmann. In jedem Fall geht es darum, was für uns Wert hat.

Abriss der Statue von König Georg III., New York City von Johannes Adam Simon Oertel (ca. 1852). Jahrzehnte nach dem Ereignis stellte der deutsch-amerikanische Maler/Kleriker eine romantisierte Fantasieversion der Szene vom 9. Juli 1776 dar. Augenzeugenberichte bestätigen die Anwesenheit von amerikanischen Ureinwohnern, Frauen und Kindern bei dem Ereignis nicht, und historischen Aufzeichnungen zufolge zeigte das Standbild den König tatsächlich im Gewand eines römischen Kaisers, nicht in zeitgenössischer Kleidung wie auf dem Gemälde.

Das Warum und das Wie

Bei Denkmälern spielen zwei Faktoren eine Rolle: die Gründe für seine Errichtung und die Art und Weise seiner Errichtung. Letzteres ist vielleicht weniger gründlich untersucht worden, aber es ist dennoch wichtig. So kann ein Standbild in Auftrag gegeben werden, das einen selbst verherrlicht – Rafael Trujillo, der einstige Präsident der Dominikanischen Republik, hatte, als er 1961 starb, 1800 mit öffentlichen Mitteln finanzierte Statuen und Büsten von sich anfertigen lassen – ein klarer Machtmissbrauch und ein Beispiel schlechter Führung. Andererseits können die Aggressionen, Schuldzuweisungen und die Spaltung, die oft aufkommen, wenn ein Denkmal neu bewertet wird, die zugrunde liegenden guten Absichten verdunkeln und schädigen. Im Streben nach guten Werten Schlechtes zu tun, hat den Effekt, die Werte selbst zu untergraben.

Was verteidigen wir wirklich, wenn wir ein bestimmtes Denkmal verteidigen?“

Alex von Tunzelmann, Fallen Idols: Twelve Statues That Made History (2021)

Ob sie noch stehen oder nicht – Standbilder sind ein Zeugnis des menschlichen Denkens im Lauf der Jahrtausende. „Denkmäler spiegeln unsere Werte wider, und jede Gesellschaft macht sich vor, ihre Werte seien ewig“, schreibt Lowe. Zeugnisse dieser Selbsttäuschung finden sich auf alten Sockeln in aller Welt. Die, die heute irrelevant oder anstößig wirken, erinnern daran, dass menschliche Gesellschaften häufig Vorstellungen und Werte angenommen und gefeiert haben, die sich als mangelhaft erwiesen haben. Die Vorstellungen der alten Ägypter haben z. B. trotz ihrer außergewöhnlichen Bauwerke die Zeit weitgehend nicht überdauert. Wir glauben nicht mehr, dass es Segen bringt, Standbildern aus Stein andere Menschen (auch Kinder) zu opfern, wie es mehrere antike Kulturen taten. Selbst Werte, die noch vor einem Jahrhundert weithin hochgehalten wurden, haben ihr Haltbarkeitsdatum offenbar überschritten.

Angesichts der Geschichte menschlicher Werte können wir davon ausgehen, dass über Werte, die heute populär sind, einmal das Gleiche gesagt werden wird. Dennoch sind verlässliche Prinzipien, die der gesamten Menschheit dienen, etwas Wünschenswertes; die Suche nach ihnen lässt sich durch die gesamte Geschichte verfolgen.

Ein Standbild ist eigentlich nichts weiter als ein Stück Metall oder Stein. Aber die Bedeutung, die wir ihm beimessen, ist wichtig; sie berührt den Kern unserer Identität. „Statuen historischer Persönlichkeiten“, schreibt von Tunzelmann, „haben Einfluss in dieser Debatte, weil sie all diese Dualismen anzapfen, die überhaupt nichts mit Geschichte zu tun haben, sondern damit, wie wir uns in der Geschichte widergespiegelt sehen: Stolz gegen Scham, Gut gegen Böse, Helden gegen Schurken.“

Lowe fügt hinzu: „Bei den aktuell geführten Debatten über unsere Denkmäler geht es fast immer um Identität.“ Das heißt, es geht um uns: wie wir denken, wie wir handeln und wer wir sind. Wir denken vielleicht, wir sprechen über Standbilder oder einen abstrakten Geschichtsbegriff, aber wir sprechen in Wirklichkeit über uns. Das ist es, was genauester Untersuchung bedarf. Ein Standbild oder ein anderes Denkmal mag eine Vorstellung repräsentieren, die zunächst ansprechend wirkt, doch dann stellt sich heraus, dass ihre Grundlagen fehlerhaft sind. Es lohnt sich, darüber nachzudenken, für welche Art von Werten wir stehen, ob sie tatsächlich für uns und andere förderlich sind und ob sie es wert sind, in einem materiellen Objekt verewigt zu werden.