Wenn mehr weniger ist

Bill McKibben hat über die Fähigkeit der Menschheit, die Beziehung zwischen der Erde und den Mitmenschen zu verstehen, mehrere Bücher geschrieben, darunter The End of Nature (1989) und Enough: Staying Human in an Engineered Age (2003).

Angesichts unseres technologischen, alles verzehrenden Galopps über die Erde behauptet McKibben, dass die menschlichen Ambitionen und Wünsche hinterfragt werden müssen. Er glaubt, dass wir „eine vernünftige Definition des Punktes, wo es genug ist“ finden müssen, oder wir werden uns mit einer unsicheren und schrecklichen Zukunft konfrontiert sehen - fürwahr eine ernüchternde Diagnose.

Dan Cloer von Vision bat Bill McKibben um weitere Kommentare zu diesem außergewöhnlichen menschlichen Dilemma.

 

DC Amerika [und inzwischen der Großteil der westlichen Welt] entwickelte sich auf der Grundlage einer unternehmerischen „Arbeitstier-Mentalität“, die als Belohung materiellen Wohlstand versprach. Welche Indikationen sehen Sie, die andeuten, dass wir diese Grundlage und den daraus entstandenen Lebensstil neu überdenken sollten?

BM Sie meinen, angesichts der ökologischen Verwüstung des Planeten? Und der Tatsache, dass nunmehr 350 Leute mehr Wohlstand haben als die ärmsten 3 Milliarden? Vielleicht sollten wir auch die Tatsache in Betracht ziehen, dass wir keine ausgesprochen glückliche Gesellschaft sind. Man kann es auf mehrere Art messen - auch an den Verschreibungen von Antidepressiva. Es scheint so, als ob die Welt, die wir gebaut haben, uns ein Gefühl von etwas zu viel Unabhängigkeit, d. h. Einsamkeit gebracht hat.

DC Wie sehen Sie die Verbindung zwischen den Fehlern, die der Mensch als Manager des Planeten (was Sie Hüter und Hausmeister des Lebens nennen) gemacht hat und den Fehlern, die er als Manager seiner eigenen Genetik macht?  

BM Es ist dieselbe grundsätzliche Hybris. Wir wurden auf einem schönen, grausamen, interessanten und mysteriösen Planeten geboren und wir haben unser Bestes getan, alles zur Routine und vorhersehbar zu machen, mit den traurigen ökologischen und geistigen Resultaten. Nun scheint es, dass wir mit unseren Körpern in dieselbe Richtung gehen.   

DC Sie beziehen sich in Ihren Werken oft auf biblische Themen. Viele Fundamentalisten glauben, dass die Bibel die „Herrschaft“ des Menschen über die Erde sanktioniert - sein vermeintliches Recht, die Erde zu seinen Gunsten zu nutzen. Sie sagen aber auch, dass unser religiöses Erbe uns auch Grenzen auferlegt.

BM Ich habe kein großes Problem mit der Vorstellung, dass wir Herrschaft über die Erde haben. Praktisch gesehen ist das heute eine akkurate Aussage. Die Frage ist, wie wir diese Herrschaft ausüben. Indem wir unseren Appetit etwas zügeln und mithelfen, den Rest von Gottes Schöpfung zu erhalten, oder indem wir so handeln, als ob wir alles wären, was zählt. Religiöse Einsicht sollte uns dabei helfen, diese Wahl zu treffen. Ich glaube, dass uns die Glaubenstradition, zumindest seit Buddha und hauptsächlich seit dem Christus des Evangeliums, daran erinnert, dass wir dann am glücklichsten und Gott am nächsten sind, wenn wir andere in den Mittelpunkt unseres Lebens stellen, seien es die Kranken oder die Hungrigen und Armen oder der Rest der Schöpfung.

DC Wie definiert und entwickelt man ein persönliches Gefühl von „genug“? Wie würde uns eine solche Haltung größere Zufriedenheit bringen?

BM In der Welt des Konsums ist dies sehr schwierig. Wir sind von Geburt an geschult worden, das „Mehr“ zu unserem Bedürfnis zu machen. Es hilft, wenn man täglich eine Zeit von etwas mehr Stille und Ruhe hat, so kann man in sich selbst hineinhören und herausfinden, was man wirklich will, was einen wirklich glücklich macht. In gewissem Sinn denke ich, sind wir nicht „selbstsüchtig“ genug und haben bemerkt, dass wir Verbindungen verloren haben, zur Gemeinschaft und zur Natur.