Daniel – Prophet oder Historiker?

Kritiker behaupten, das Buch Daniel sei eher ein historisches als ein prophetisches Buch. Aber wie konnte jemand Aufstieg und Fall aufeinander folgender Weltreiche so genau vorhersagen?

Für Viele in der westlichen Welt ist die Bibel nichts als ein archaisches Buch, dem man wenig oder gar keine Autorität zubilligen kann. Man sieht sie im besten Fall als Ausdruck frommen Aberglaubens eines Volkes, das weit abgelegen und vor langer Zeit gelebt hat. Dass in ihr enthaltene Lehren zurzeit ihrer Niederschrift für die damalige Zeit von Wert gewesen sein könnten, räumt man ein, aber für das 21. Jahrhundert sieht man diese als hoffnungslos veraltet.    

Die Bibel beansprucht allerdings Gott, und nicht Menschen, als ihren Autor. In ihren Seiten gibt Gott (meist vergeblich) allen Menschen aller Zeitalter Anleitung über die wahre Natur der menschlichen Existenz und wie das Leben erfolgreich geführt werden sollte. All jenen, die sich fest entschlossen haben, die Bibel als Handbuch für das Leben zu verwerfen, kann man sicherlich keine Beweise vorlegen, die sie davon überzeugen würden, dass das Buch tatsächlich das ist, was es zu sein vorgibt: das Wort Gottes. Wer aber in dieser Hinsicht seine Meinung noch nicht zementiert hat, wer bereit ist, alles mit einem offenen Sinn zu betrachten, für den enthält die Bibel Beweise eines göttlichen Ursprungs.

PROPHETISCHE BEWEISSTÜCKE

Eine Schiene der Beweisführung für den Anspruch der Bibel als Wort Gottes stellen erfüllte Prophezeiungen dar. Prophezeiungen, die einzelne Ereignisse weit im Voraus ihrer Erfüllung beschreiben - und das nicht nur in wagen Worten mit einer Vielzahl von möglichen Erfüllungsvarianten, sondern detaillierte Aussagen, die eine eindeutige Erfüllung haben und hatten. In Anbetracht der Schwierigkeiten, mit denen man sich konfrontiert sieht, um allein den Ausgang von Ereignissen korrekt vorherzusagen, über die wir eine gewisse Kontrolle haben, stimmen wir sicher darin überein, dass es für Menschen unmöglich ist, den Verlauf der Geschichte über hunderte und tausende von Jahren vorherzusagen. Nichtsdestoweniger enthält die Bibel genau solche Vorhersagen, und die Geschichte verzeichnet ihre präzise Erfüllung.

Im Buch Jesaja bezeichnet der Gott der Bibel die Erfüllung von Prophezeiungen als Beweis seiner göttlichen Macht. Er stellt fest: „... Ich bin Gott, und sonst keiner mehr, ein Gott, dem nichts gleicht. Ich habe von Anfang an verkündigt, was hernach kommen soll, und vorzeiten, was noch nicht geschehen ist. Ich sage: Was ich beschlossen habe, geschieht, und alles, was ich mir vorgenommen habe, das tue ich. ... Wie ich's gesagt habe, so lasse ich's kommen; was ich geplant habe, das tue ich auch“ (Jesaja 46, 9-11).

Erstaunliche Beispiele nachprüfbarer biblischer Vorhersagen findet man auch in drei miteinander verbundenen Prophezeiungen im Buch Daniel. Daniel war ein jüdischer Gefangener, der um 604 v. Chr. von Nebukadnezar, dem König des Neo-Babylonischen Reichs, von Jerusalem nach Babylon verschleppt worden war. Die Babylonier bildeten ihn aus, um am königlichen Hof zu dienen. Daniel verblieb dort während der Regierung Nebukadnezars und seines Nachfolgers bis zur Zeit der Herrschaft der Medo-Perser, die Babylon eroberten.  

Obwohl die Autorität des Buches Daniel von zumindest einem der griechischen Philosophen in Frage gestellt worden war, und in jüngerer Zeit auch von großen Teilen der Bibelkritik, sahen es doch die Juden, die vor und nach der Zeit Jesu Christi lebten, als ein wichtiges und gültiges Dokument. Auch den Nachfolgern Christi galt es als grundlegend für ihren Glauben.   

TRÄUMER UND TRÄUME

Das Buch Daniel erzählt die Geschichte, dass Nebukadnezar geträumt hatte - von einer Statue, deren Haupt aus Gold gefertigt und deren Brust und Arme aus Silber waren. Bauch und Oberschenkel bestanden aus Bronze; die Beine waren aus Eisen und die Füße aus Eisen, vermischt mit Ton. Dieses Standbild wurde von einem Stein getroffen und zerschlagen; und zwar „ohne Zutun von Menschenhänden“ (Daniel 2, 31-35). Gott gab Daniel die Interpretation dieses Traumes, die er Nebukadnezar weitergeben sollte: Die Statue repräsentierte vier große Königreiche, die aufeinander folgen würden und die schlussendlich beseitigt und vom Reich Gottes ersetzt werden würden (Vers 38-40. 44).

Einige Jahre später hatte auch Daniel einen Traum. Nun waren es vier große Tiere - ein Löwe, ein Bär, ein Leopard mit vier Köpfen und vier Flügeln und ein viertes Tier mit gewaltigen, eisernen Zähnen und zehn Hörnern - sie alle kamen heraus aus dem Meer (Daniel 7, 2-7). Wie in Nebukadnezars Traum wurden auch hier vier Königreiche beschrieben, die auf der Erde existieren würden (Vers 17-18).

Zwei Jahre später hatte Daniel einen weiteren Traum. Ein Widder mit zwei Hörnern wurde von einem Ziegenbock mit einem langen Horn angegriffen und vernichtet. Das Horn des Ziegenbocks zerbrach und an seiner Stelle wuchsen vier kleinere Hörner (Daniel 8, 3-8). Dieser Traum beschrieb auch große Reiche, er enthält aber spezifische Informationen, die uns helfen, auch die anderen Träume zu verstehen. In Vers 20 wird der Widder mit den zwei Hörnern klar als das Medo-Persische Weltreich identifiziert. Der folgende Vers beschreibt den Ziegenbock als den König von Griechenland - stellvertretend für das Griechisch-Mazedonische Reich.

Wenn wir uns die Symbolik der Träume ansehen und sie mit den historischen Begebenheiten vergleichen, wird die Botschaft klar.

Die Interpretation von Nebukadnezars Traum drehte sich natürlich nicht nur um zwei, sondern vier aufeinander folgende Reiche (Daniel 2, 38-40). Wenn wir uns die Symbolik der Träume ansehen und sie mit den historischen Begebenheiten vergleichen, wird die Botschaft klar. Daniel sagte eindeutig, dass das Haupt aus Gold des Standbildes Nebukadnezar und sein Reich darstellte (Vers 38-39). Dasselbe Reich wird in Daniel 7, Vers 4 als Löwe dargestellt, dem das Herz eines Menschen eingepflanzt wird. (Daniel 4 berichtet, dass Nebukadnezar eine Zeit lang verrückt wurde und wie ein Tier lebte, dass sein Verstand aber wiederhergestellt wurde.)

Das Neo-Babylonische wurde vom Medo-Persischen Reich erobert und ersetzt. Im Buch Daniel wird dieser Wechsel als historisches Ereignis beschrieben, da Daniel Zeitzeuge davon war und den neuen Herrschern weiter als Berater diente.

In der Folge wurde das Medo-Persische Reich 333 v. Chr. von Alexander dem Großen erobert. Mehr als 250 Jahre waren vergangen, seit Daniel über die Träume geschrieben hatte. Das feine Detail der historischen Erfüllung des Traumes von Daniel 8 sollte nicht übersehen werden. Der Ziegenbock (das Griechisch-Mazedonische Reich), der den Widder zerstörte, hatte „ein großes Horn“, das seinen ersten König repräsentierte, Alexander den Großen (Daniel 8, 21). Der Traum erläutert auch, dass aus diesem Horn, das zerbrochen würde, vier kleinere Hörner wachsen würden, die auch vier Königreiche darstellen und das vorige ersetzen würden (Vers 22). Dies ist genau so passiert. Nach Alexanders Tod im Jahre 323 wurden alle seine leiblichen Erben getötet und sein Reich wurde von einigen seiner Generäle (geschichtlich: die Diadochen) aufgeteilt. Antigonus I. versuchte zuerst, dies zu verhindern und das Reich an sich zu ziehen, aber nach seiner Ermordung wurde das Reich in vier Teile geteilt: Kassander behielt Makedonien und Griechenland, Lysimachos erhielt das nördliche Kleinasien, Ptolemaios Ägypten und Zypern und Seleukos Babylonien und Medien.

Die Visionen, die in Daniel 2 und 7 aufgezeichnet sind, sprechen von einem anderen, vierten Reich, das den anderen folgen sollte und das „furchtbar und schrecklich und sehr stark“ sei (Daniel 7, 7). Das nächste Weltreich, das Römische Reich, erfüllte tatsächlich in vielen Bereichen diese Beschreibung, obwohl es in mancher Hinsicht zeitweise sehr liberal herrschte. Zusätzlich zu seiner zermalmenden Macht hatte dieses vierte Tier eine weitere Charakteristika: Es hatte zehn Hörner. Wie man aus der Beschreibung des Widders und des Ziegenbocks in Daniel 8 entnehmen kann, ist ein Horn in der biblischen Prophetie symbolisch für ein Reich. Die zehn Hörner des vierten Tieres standen also für Königreiche, die aus diesem Reich heraus entstehen sollten. Daniel 7, 24 drückt es deutlich aus: „Die zehn Hörner bedeuten zehn Könige, die aus diesem Königreich hervorgehen werden.“  

Dieses letztere Merkmal des Römischen Reiches (zehn folgende Königreiche) ist sehr interessant und sollte weiter betrachtet werden. Das Römische Reich fiel 476 n. Chr. an die Barbaren, seine zentrale Idee aber, die Pax Romana (römischer Frieden) lebte in Europa weiter. Aber wie das originale Römische Reich brachten seine Nachfolger nicht vorwiegend Frieden, sondern vielfach Leid, Unterdrückung und Zerstörung.

Die Geschichte zeigt eine Reihe von König-reichen, die ihre Herrschaft im Geiste des Römischen Reiches etablierten. Darunter die Vandalen, Heruler und Ostgoten, die zum Fall Roms beitrugen und dann ihre eigenen kurzlebigen Reiche errichteten. Nach ihnen folgte die imperiale Restauration unter Justinian, das Fränkische Reich Karls des Großen, das (Heilige Römische) Reich unter Otto dem Großen und später der Dynastie der Habsburger sowie Napoleons Reich im 19. Jahrhundert und im 20. Jahrhundert Mussolinis kurzer Traum von der Wiederbelebung des alten Reiches (siehe Kastenartikel „Viele Wege führen nach Rom“).

DATIERUNG DANIELS

Interne Hinweise im Buch Daniel dokumentieren, dass diese Träume oder Visionen und ihre Interpretation im 6. Jh. v. Chr. aufgezeichnet worden sind. (Ungefähr zwischen 605 v. Chr., als Daniel gefangen genommen wurde, und 539 v. Chr., als die Meder und Perser das Neo-Babylonische Reich eroberten). Der Übergang vom Babylonischen Reich zum Medo-Persischen Reich ereignete sich Jahrzehnte später unter einem nachfolgenden Herrscher, obwohl dies schon zurzeit Nebukadnezars verkündet worden war. Dieser Herrschaftswechsel vollzog sich aber immer noch während der Lebenszeit Daniels. Bis zu diesem Zeitpunkt könnten Skeptiker behaupten, Daniel habe nur das aufgeschrieben, was er über die Umstände wusste und durch logisches Denken voraussehen konnte. Ab diesem Zeitpunkt wird es aber zunehmend unmöglicher, die erstaunlich präzisen Abläufe seiner Prophezeiungen nur menschlichen Überlegungen zuzuschreiben.

Ab diesem Zeitpunkt wird es aber zunehmend unmöglicher, die erstaunlich präzisen Abläufe seiner Prophezeiungen nur menschlichen Überlegungen zuzuschreiben.

Die Zerstörung des Persischen Reiches und die Aufteilung des Reiches Alexanders des Großen in vier Teile, wie in Daniel 8 vorhergesagt, fand zwischen 333 v. Chr., als Alexander Makedonien verließ, und 323 v. Chr., nach seinem Tode, statt. Das heißt, über zwei Jahrhunderte nach Daniel. Es wäre für jeden Menschen absolut unmöglich gewesen, solche Vorhersagen über solche Zeiträume hinweg zu machen. Als Daniel seine Prophezeiungen aufschrieb, war Persien ein mächtiges Reich. Die Griechen waren zu jener Zeit nur eine Ansammlung von einander bekämpfenden Stadt-Staaten. Es wäre absurd gewesen, zu behaupten, die Griechen würden kommen und die Perser total besiegen. Die spätere Aufteilung von Alexanders Reich in vier Teile wäre unbestreitbar über jegliche Vorstellungskraft sogar eines gelehrten Zukunftsforschers gegangen. Eine moderne Parallele wäre die Vorhersage der Situation Europas im 20. Jahrhundert (Errichtung und Zerfall des Sowjetreiches, Entstehung einer Europäischen Union, die beiden Weltkriege, Trennung und Wiedervereinigung Deutschland usw.) durch königliche Berater der verschiedenen Machthaber des späten 18. Jahrhunderts.

Skeptiker, die dem griechischen Philosophen des 3. Jh., Porphyrios, nachfolgen, haben dies auch erkannt. Sie versuchten deshalb die Idee einer göttlichen Inspiration des Buches Daniel insofern zu untergraben, indem sie behaupteten, es wäre das Werk eines unbekannten Autors des zweiten Jahrhunderts v. Chr., der lediglich die historischen Ereignisse niedergeschrieben und sie nachträglich als Prophezeiungen ausgegeben hätte. Es gibt allerdings für diese These keinerlei geschichtliche Anhaltspunkte und Beweise.  

Diese Idee wird auch durch eine Aussage des jüdischen Historikers Flavius Josephus entkräftet, der im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung für die Römer schrieb. Josephus erzählt die Geschichte eines jüdischen Hohenpriesters, der Alexander (dem Großen) „das Buch Daniel zeigte, ... worin dieser erklärt, dass ein Grieche das Reich der Perser zerstören sollte“ (Jüdische Altertümer 11.8.5). Josephus hat eindeutig anerkannt, dass das Buch Daniel zur Zeit Alexanders existierte und dass es unter den Juden des vierten Jahrhunderts v. Chr. als göttliche Prophezeiungen angesehen wurde. (Zum Thema Datierung des Buches Daniel verweisen wir auch auf unseren Sonderdruck „Daniel in der Kritikergrube“ der Ausgabe Sommer 2003.)

VERGANGENES UND ZUKÜNFTIGES

Die Vorhersage geopolitischer Ereignisse im Buch Daniel endet jedoch nicht mit den Griechen, sondern behandelt auch ein viertes Weltreich, das nur das Römische Reich sein konnte und jene Reiche, die in den nächsten zwei Jahrtausenden auf Grundlage ihrer Vorstellung vom Römischen Reich entstanden sind.  

Als Daniel die ihm von Gott gegebenen Prophezeiungen niederschrieb, existierte das Römische Reich noch gar nicht. Es war lange nach Daniels Tod, um 509 v. Chr., als die Römer die Herrschaft der Etrusker abschüttelten und ihre eigene Republik gründeten. Sogar zu jener Zeit wäre es unmöglich gewesen, vorherzusehen, dass der kleine Stadt-Staat eines Tages die ganze Mittelmeerregion und darüber hinaus beherrschen würde. Sogar wenn das Buch Daniel tatsächlich erst Mitte des zweiten Jahrhunderts vor Christus geschrieben worden wäre, wie die Kritiker behaupten, wären doch der Aufstieg Roms und der Fall des Griechischen Reichs und die Eroberung Ägyptens und Syriens mehr als ein Jahrhundert später nicht zu erahnen gewesen.

Sogar zu jener Zeit wäre es unmöglich gewesen, vorherzusehen, dass der kleine Stadt-Staat eines Tages die ganze Mittelmeerregion und darüber hinaus beherrschen würde.

Auch die Schriftgelehrten in der jüdischen Geschichte betrachteten das Römische Reich als das vierte Reich Daniels. Dies führte zweifellos auch zu Missverständnissen in der Messiaserwartung, die sich in verhängnisvollen Revolutionen gegen die römischen Herren ausdrückte.

Nur Gott konnte die Prophezeiungen von Daniel, Kapitel 2, 7 und 8 inspiriert haben. Nur Gott kennt das Ende vom Anfang an und ist in der Lage, Weichen für die Weltpolitik zu stellen und die Abläufe so zu lenken, dass genau das eintrifft, was er vorhergesagt hat.

Der Erfüllung von biblischen Prophezeiungen, die bis ins Detail beschrieben sind, ist einer der Gründe, warum dieses Buch als Wort Gottes und nicht als Menschenwerk anerkannt werden kann. Aus diesem Grund beziehen wir uns auch in Vision bei der Erörterung gegenwärtiger Themen auf die Bibel. Die Grundlage, nach der wir unsere Themen aufbereiten, ist das inspirierte Wort Gottes. Die Prinzipien, die man darin findet, sind zeitlos, weil sie von Gott und nicht von Menschen stammen.