Auf der Suche nach der ultimativen Führungsfigur

Mehreren Erhebungen zufolge ist er der berühmteste Mensch der Geschichte und dennoch gibt es Bücher mit Titeln wie „Der unbekannte Jesus“. Eine Suche nach deutschsprachigen Büchern über Jesus bei Amazon ergibt mehr als 10.000 Titel. Zweifellos kommen weltweit auch noch Millionen von Büchern, Artikeln, Devotionalien usw. in Bibliotheken und Geschäften hinzu. Einer seiner frühesten Biografen schrieb, sein Leben sei so voll gewesen, dass man nicht alles über ihn wiedergeben könne: „Wenn aber eins nach dem andern aufgeschrieben werden sollte, so würde, meine ich, die Welt die Bücher nicht fassen, die zu schreiben wären.“ Und das Buch, in dem seine Geschichte zum ersten Mal erzählt wurde, ist Jahrhunderte nach seiner Zeit noch immer der Bestseller der Welt. Er war mit Sicherheit eine Führungsfigur, Visionär, Lehrer und Prophet – aber auch eine Zielscheibe für grundlosen Hass, Verfolgung und falsche Anschuldigungen.

Dies kommt mir in den Sinn, während ich über den Krieg in der Ukraine nachdenke, über die vielfachen Herausforderungen, mit denen die Führungspersönlichkeiten der Welt in dieser Zeit der Krise an vielen Fronten fertigwerden müssen. Mit den Erwartungen der Menschheit, dass jemand – einer bzw. eine oder mehrere – kommen wird, um diese verfahrene Situation aufzulösen, uns aus der ausweglosen Schlucht hinauszuführen und wieder Hoffnung zu geben – wie jemand einmal schrieb, die Art Führungspersönlichkeit, die Hiobs Geduld, Salomos Weisheit und die Demut Jesu Christi hat.

In seinem Buch Leadership: Six Studies in World Strategy (2022) schreibt der umstrittene amerikanische Staatsmann Henry Kissinger, dass es heute keine Führungspersönlichkeit vom Format seiner sechs Großen gibt – Konrad Adenauer, Charles de Gaulle, Richard Nixon, Anwar al-Sadat, Lee Kuan Yew und Margaret Thatcher –, die einen solchen Ritterschlag verdienten. Er kategorisiert diese sechs Persönlichkeiten nach dem jeweiligen übergeordneten Aktionsplan: den Strategien Demut, Wille, Gleichgewicht, Transzendenz, Exzellenz und Überzeugung.

Es fällt auf, dass er für die oben genannten Eigenschaften Geduld, Weisheit und Demut nur ein Beispiel nennt: Adenauer, den deutschen Bundeskanzler der Nachkriegszeit. Seine Amtszeit war geprägt von der Anerkennung des nationalen moralischen Versagens in der Nazizeit, der Entschlossenheit, ein friedliches Deutschland auf der Basis christlicher Werte aufzubauen, und dem Bündnis mit den USA und den europäischen Völkern. Kissinger bezeichnet dies als die Strategie der Demut. Sie führte zu einem relativen Frieden in Europa und sie hielt die Sowjetunion hinter dem Eisernen Vorhang – um den Preis der deutschen Teilung.

Doch war das die Demut des Mannes, den jeder kennt und den niemand kennt – Jesus Christus? Seine Art Demut war keine Strategie, kein Plan auf der Basis von aufgeklärtem Selbstinteresse. Sie war Selbstlosigkeit zugunsten anderer, ohne einen Blick auf persönliche Vorteile.

Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den andern höher als sich selbst, und ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem andern dient. Seid so unter euch gesinnt, wie es auch der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht.“

Philipper 2, 3–5

Adenauers Demut bewirkte sehr viel Gutes. Wäre diese Strategie doch Wladimir Putins Vorbild! Doch wahrhaft große Führung von der Art Christi ist nur erreichbar, wenn der Geist am Werk ist, der Christus zu diesem Maß der Selbstlosigkeit motivierte.

Ist es uns Menschen möglich, das auch nur anzustreben? Für Kissingers realistische Sicht, die von dem Wesen des Menschen als unveränderlich ausgeht, ist eine Strategie der Demut vielleicht das Höchste, was man erwarten kann. Aber die ideale Demut Christi ist bei Weitem vorzuziehen und die einzige dauerhafte Antwort auf das Maß an Problemen, mit denen die Welt jetzt konfrontiert ist. Ohne diese Art Demut werden Führungspersönlichkeiten scheitern, Völker werden ihre Konflikte nicht bewältigen, die Umwelt wird weiter leiden und Gesellschaften werden nicht friedlich zusammenleben.

Ist diese Art Demut erreichbar? Der Mann, der das höchste Beispiel gegeben hat, sagt, dass sie es ist: „Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen“ (Matthäus 11, 29).