Mussolinis Botschaft

Als ich kürzlich auf der Website von BBC News las, dass ein gerade veröffentlichtes Dokument Benito Mussolini und den Siegeszug der faschistischen Bewegung verherrlicht, war ich nicht überrascht. Ungewöhnlich daran ist jedoch, dass es auf Latein geschrieben ist und unzugänglich im Sockel eines Obelisken in Rom steckt, der 1932 als Teil der Sportstätte „Foro Mussolini“ (heute Foro Italico genannt) errichtet wurde und noch heute steht. Nun haben die Forscher Han Lamers und Bettina Reitz-Joosse den 1 200 Wörter umfassenden Text, verfasst vom italienischen Altphilologen Aurelio G. Amatucci (1867–1960), anhand von wenig bekannten Quelldokumenten rekonstruiert.

Was in dem Dokument steht, war für sie nicht überraschend, weil ihnen nach etlichen Jahren des Forschens und Schreibens über den faschistischen Diktator klar war, dass es perfekt dazu passt, wie der Mann sich offenbar sah: als Gottes Geschenk an das italienische Volk des frühen 20. Jahrhunderts. Vor einigen Jahren konnte ich das Foro zusammen mit dem herausragenden Faschismusforscher Emilio Gentile besichtigen. Der Professor sprach über den Größenwahn des Diktators und bestätigte, was ich in der Serie über falsche Messiasse und die Rolle der Religion und ihrer Symbole geschrieben hatte: dass sie Männern wie Mussolini zu ihrer Macht verhalfen, sie in den Augen der Öffentlichkeit sogar legitimierten.

Über das lateinische Dokument sagte Lamers der BBC: „Der Text präsentiert Mussolini als eine Art neuen römischen Kaiser, aber auch, durch die Verwendung biblischer Sprache, als den Erlöser des italienischen Volkes.“ In ihrem Buch erläutern die beiden Forscher näher, wie Bibelstellen über Christus usurpiert und auf Mussolini umgemünzt werden, sodass er auf sehr direkte Weise ein falscher Messias wird. Sie zitieren Amatucci mit den Worten, Mussolini habe „den Italienern das Italien wiedergegeben, das die Römer der Antike zum Licht der ganzen Welt gemacht hatten“. Außerdem, betonen sie, „ist das Thema mit dem immer wiederkehrenden Bild des ,Duce‘ als ,Bringer des Lichts‘ verbunden. Solche Lichtmetaphern dienen dazu, zu suggerieren, dass der christliche Messias durch seine irdische, faschistische Entsprechung ersetzt wird: Der ,Duce‘ übernimmt die Rolle Christi als das moderne ,Licht der Welt‘ [vgl. Lukas 2, 32 und Johannes 8, 12], während der Faschismus den Platz des Christentums als erleuchtende Kraft in der Welt übernimmt.“

In dem Codex wird Mussolini eindeutig als irdische Messiasfigur dargestellt.“

Han Lamers und Bettina Reitz-Joosse, The Codex Fori Mussolini: A Latin Text of Italian Fascism

Die Idee zu einer Serie über falsche Messiasse für Vision erwuchs aus der Erkenntnis, dass Christus selbst davon gesprochen hat, dass nach seinem Tod solche Leute kommen werden. Der eingemauerte lateinische Text, den die Forscher rekonstruiert haben, ist ein erstaunlicher Beleg dafür, dass Mussolini in der Tat die warnenden Worte Jesu erfüllte, es würden Betrüger kommen und sich für ihn ausgeben. Als Jesus seinen Jüngern sagte: „ Denn es werden viele kommen unter meinem Namen und sagen: Ich bin der Christus, und sie werden viele verführen“ (Matthäus 24, 5; alle Zitate Luther-Bibel 1984, sofern nicht anders vermerkt), meinte er nicht, sie würden sagen, dass er, Jesus, der Christus ist. Zwar geben einige ältere Bibelübersetzungen keine Anführungszeichen wieder, doch lässt der Satzbau des griechischen Texts erkennen, dass „Ich bin der Christus“ tatsächlich direkte Rede ist; Jesus legte diese Worte Menschen in den Mund, die sich später einmal die Rolle Christi aneignen und behaupten würden, sie seien Erlöser, besonders gesalbt für diese Aufgabe. Im Lauf der Jahrhunderte hat es viele Betrüger dieser Art gegeben, und sie haben die Vielen verführt. Es gab Menschen, die lehrten, sie seien der Messias oder Christus in einem rein religiösen Sinn – und verführten einige, aber nicht die Vielen. Weit mehr wurden von den politisch motivierten Erlösertypen verführt, die die Requisiten der Religion benutzten, um sich populär zu machen.

John Whittam von der Universität Bristol hat angemerkt: „Mussolini war bereit, viele Symbole und Rituale des römischen Katholizismus zu verwenden – eine seiner ersten Amtshandlungen als Premier war die Wiedereinführung von Kruzifixen in allen Klassenzimmern.“ Doch was Mussolini wirklich wollte, war, die Gläubigen an seine neue Duce-Religion für den neuen, faschistischen Menschen heranzuführen.

Und eine Zeit lang hatte er Erfolg, sogar in der nicht faschistischen Welt. Die Regierung der USA war zum Beispiel viele Jahre lang bereit, sein Regime zu unterstützen, weil man meinte, es sei für Italiens Zukunft besser, auf den Faschismus statt auf die radikale Linke zu setzen. Der Geschichtsprofessor Adam Tooze schreibt im New York Review of Books: „Die Präsidenten Hoover und Roosevelt drückten beide ihre Zustimmung zu Mussolinis Regime aus.“ Ohnehin waren es die US-Banker, die die Fäden in der Hand hatten; ihnen kam es darauf an, die Wirtschaftsordnung nach dem Ersten Weltkrieg so zu entwickeln, dass sie ihnen zum Vorteil gereichte. Dann brach die Weltwirtschaftskrise aus; als Mussolini daraufhin beschloss, er brauche ein Imperium, und Abessinien überfiel, war sein Schicksal besiegelt. Er verbrüderte sich mit dem anderen falschen Messias Adolf Hitler, und seine Freunde in der Weltwirtschaft wurden rasch seine Feinde.

Die Politik und die Akteure waren im Lauf der Jahrhunderte immer wieder andere, doch falsche Messiasse haben immer wieder das Gleiche versucht – nur um auf schmachvolle und sehr zerstörerische Weise zu scheitern und Völker, Familien und Länder einschließlich ihrer eigenen ins Verderben zu führen. Genau davor hat Christus die Menschen gewarnt, die ihm nachfolgen. Solche Männer werden von Zeit zu Zeit in der menschlichen Gesellschaft emporkommen, bis zu dem Tag, an dem der wahre Christus wiederkommt und die gottgefällige Herrschaft über die Erde in die Hand nimmt.