Abschalten

Ausruhen. Entspannen. Zeit für das Wesentliche.

Wann haben Sie sich zum letzten Mal Zeit genommen, um innezuhalten und sich wirklich auszuruhen? Nicht nur eine Stunde freigenommen, den Hund Gassi geführt oder eine Viertelstunde mit den Kindern gespielt, sondern sich jede Woche einmal ausgiebig Zeit genommen, um die schwindelerregende Alltagshetze anzuhalten und über Ihr Leben sowie seinen Sinn nachzudenken?

Viele von uns unterwerfen sich Tagesplänen, die uns zu einer seelenzerfetzenden, erschöpfenden Hetze zwingen, und wir nehmen immer länger werdende Listen von Aufgaben an, die uns unweigerlich überfordern oder bis zum Zusammenbruch stressen.“

Norman Wirzba, Living the Sabbath: Discovering the Rhythms of Rest and Delight (2006)

Wenn Sie wie die meisten Menschen sind, kämpfen Sie ständig damit, dass Sie zu viel zu tun und zu wenig Zeit haben. Mir geht es auf jeden Fall so. Dieses gestresste, verspannte, angstbefrachtete Gefühl, wenn Sie zum nächsten Termin hetzen, beherrscht Sie jetzt. Dann sind Entspannungsangebote sehr verlockend. Manche Menschen erklären ein Wochenende zu einer Internet-freien Zeit, gehen sogar zu Einkehrtagen, wo Smartphones, Tablets und dergleichen am Eingang abgegeben werden müssen. Die neueste Entspannungstechnik, ein Tag im Wellnessbad oder eine Massage können hilfreiche Versuche sein, das so verbreitete Gefühl „Ich muss unbedingt einmal tief durchatmen“ zu überwinden.

Gibt es jedoch eine dauerhafte Antwort, die uns weiter bringt als die vorübergehende Erleichterung durch Verwöhnprogramme oder eine Auszeit?

Um uns von dem Stromkreis aus Stress und Angst abzukoppeln, müssen wir zuvor feststellen, wie tief wir „drinstecken“. Wie stressig ist Ihr Leben? Hier einige Tatsachen: Eine Erhebung der American Psychological Association (APA) von 2012 ergab, dass 20 % der US-Bürger extremen Stress erleben (8, 9 oder 10 auf einer Skala von 10 Intensitäten). Darüber hinaus gaben 69 % der erwachsenen Amerikaner mit hohem Stress an, dass er in den vergangenen zwölf Monaten gestiegen sei. Was wurde als größter Stressfaktor genannt? Dem APA-Bericht zufolge sind es u. a. „Geld (69 %), Arbeit (65 %), die Wirtschaft (61 %), familiäre Pflichten (57 %), Beziehungen (56 %), Krankheit in der Familie (52 %) und eigene gesundheitliche Probleme (51 %)“.

Ein Teil der Überlastung entsteht sicher, wenn man sieben Tage in der Woche rund um die Uhr online ist. Wie Vision berichtete, „reagierte Volkswagen im Dezember 2011 auf Beschwerden seiner Belegschaft mit der Ankündigung, an über 1 100 Mitarbeiter in Deutschland würden künftig keine E-Mails mehr später als 30 Minuten nach Schichtende geschickt, und die Zustellung von Nachrichten werde erst 30 Minuten vor Schichtbeginn wieder einsetzen“ („Rest: A Priceless Gift“). Die Herausgeber des Hedgehog Review schrieben in ihrer Ausgabe vom Sommer 2011: „Wir verbringen immer mehr Zeit vor Bildschirmen, immer weniger Zeit in persönlicher Kommunikation und immer weniger Zeit allein ohne irgendein elektronisches Kommunikationsgerät, das uns von jeder möglichen Einsamkeit ablenkt.“

Und natürlich beschränkt sich der durch Bildschirme und Ähnliches verursachte Stress nicht auf Erwachsene. Kinder schauen mehr auf Fernsehbildschirme als auf Monitore und Displays anderer Geräte, aber fast acht Stunden täglich für alle Geräte zusammen sind eindeutig zu viel. Das ist allerdings die Zahl, die in einer Studie der Kaiser Family Foundation von 2010 angegeben wird. Ebenfalls beunruhigend ist, dass fast jedes zweite Kleinkind in den USA einen Computer oder ein Smartphone benutzt, ehe es zwei Jahre alt ist – der Anteil stieg zwischen 2011 und 2013 von 14 % auf 48 %.

Um mit den Ansprüchen an unsere Zeit und den Auswirkungen von Stress fertig zu werden, müssen wir uns den Themen Zeitmanagement, Prioritäten und ausgewogene, gesunde Lebensweise stellen. Bei dem Bemühen, Familie, Arbeit und das eigene Leben unter einen Hut zu bringen, sind gesundes Essen und Trinken als auch frische Luft jedoch nur der Anfang. Wichtig ist ferner, was uns spirituell fehlt. Was ist mit dieser Leere in unserem Innersten, wo kein Wissen um Größeres ist, wo wir über das Ich nicht hinauskommen?

Bekanntlich rufen Menschen in großer Gefahr nach Gott – selbst wenn sie nicht an ihn glauben. Hat Gott über Stressabbau, Ausruhen und Regenerieren etwas zu sagen?

Es trifft sich, dass der Gott der Schöpfung bereits den Standard für das Ausruhen vorgegeben hat. Im Schöpfungsbericht der Genesis heißt es: „Und so vollendete Gott am siebenten Tage seine Werke, die er machte, und ruhte am siebenten Tage von allen seinen Werken, die er gemacht hatte. Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte von allen seinen Werken“ (1. Mose 2, 2-3).

Der Sabbat ist das kostbarste Geschenk, das die Menschheit aus dem Schatzhaus Gottes erhalten hat.“

Abraham Joshua Heschel, The Sabbath: Its Meaning for Modern Man (1951)

Man könnte meinen, man müsste Jude sein, um den Sabbat zu halten, aber als diese Aussage entstand, gab es noch lange kein jüdisches Volk. Und wie der bekannteste Mensch jüdischer Abstammung sagte: „Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht“ (siehe Markus 2, 23-27). Die Aussage in der Genesis bedeutet, dass Gott die Menschen im Sinn hatte, als er das Beispiel dafür gab, einmal in der Woche am siebten Tag zu ruhen. In diesem Buch der Ursprünge stehen viele Wahrheiten, die für das Wohlergehen der Menschen von zentraler Bedeutung sind. Die Notwendigkeit von ausreichend Zeit zum Ausruhen und Regenerieren ist lediglich eine davon.

Ist es spirituell vonnutzen, am Sabbat zu ruhen?

Paulus, der Apostel der Heiden, schreibt, dass wir in der Schöpfung die Hand Gottes sehen, das Zeugnis seiner Schöpferkraft. In der Schöpfung sehen wir seine Fürsorge für seine Geschöpfe – insbesondere die Menschen. Jesus spricht darüber, wie Gott die Vögel der Luft und die Lilien auf dem Feld liebt, ernährt und beschützt. Wie viel mehr liegt ihm an der Menschheit, der Krone seiner Schöpfung! Über diesen Gott der Schöpfung zu meditieren, ist eine Richtlinie für diesen Ruhetag. Mit seiner Schöpfung in Kontakt zu kommen, indem man in sie hineingeht, ist eine weitere. Wir werden daran erinnert, dass dies Gottes Werk ist und wir seine Spuren darin sehen können. Wir können darüber nachsinnen, was er getan hat –  mit wie viel Fürsorge und Bedacht, Schönheit und Harmonie, Liebe und Rücksicht. Dies bringt uns dem Ziel näher, Gott an jedem Tag der Woche zu würdigen und zu lieben.

William Powers hat über den abrupten Wandel im modernen Leben geschrieben, der durch die technologische Entwicklung eingetreten ist. Ein bedeutender Effekt ist ihm zufolge der Verlust eines wichtigen Elements in der Welt der Menschen: „Wir verlieren etwas von großem Wert, eine Art, zu denken und uns durch die Zeit zu bewegen, die sich in einem einzigen Wort zusammenfassen lässt: Tiefe. Tiefe des Denkens und Fühlens, Tiefe in unseren Beziehungen, unserer Arbeit und allem, was wir tun. Da Tiefe das ist, was Erfüllung im Leben bringt, ist es höchst erstaunlich, dass wir dies zulassen“ (Hamlet’s Blackberry).

Der Gedanke, einfach innezuhalten, ist nicht neu und nicht einfach. In der biblischen Überlieferung gehört er zu den ältesten Gedanken.“

Wendell Berry, „Foreword“, in Living the Sabbath Discovering the Rhythms of Rest and Delight von Norman Wirzba (2006)

Es erweist sich nicht als überraschend, dass Gott den aus der Sklaverei befreiten Kindern Israels den Ruhetag gab, als er seine zehn Gebote für ihr künftiges Leben formulierte; dieser Tag sollte sie zurückführen zu Tiefe und Betrachtung Gottes als Schöpfer und Bewahrer seiner Schöpfung: „Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligest. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des HERRN, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt. Denn in sechs Tagen hat der HERR Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was darinnen ist, und ruhte am siebenten Tage. Darum segnete der HERR den Sabbattag und heiligte ihn“ (2. Mose 20, 8-11).

Wenn Sie dieses Gebot befolgten, würden Sie in Kontakt mit dem Schöpfer und seiner Schöpfung bleiben. Sie würden sich nach sechs Tagen körperlicher Arbeit auf Geistliches konzentrieren. Sie würden abschalten können und inneren Frieden haben. Dieses Gesetz zu halten, würde Sie durch Meditation und Ruhe zu einem tieferen Verständnis führen: Tun würde Verstehen bewirken. Natürlich handelte es sich dabei um einen spezifischen Tag: den siebten Tag der Woche, Samstag.

Hin und wieder hört man das Argument, es sei nicht wichtig, welcher Tag der Woche der besondere sei, solange es überhaupt ein Tag sei. Schließlich feiern Christen doch den Sonntag? Für das traditionelle Christentum trifft das natürlich zu, nicht aber für die ersten Anhänger Jesu; sie – auch Paulus, der viele Nichtjuden unterwies und mit ihnen arbeitete – hielten sich an den siebten Tag, um Gott zu ehren. Es ist gut dokumentiert, dass die offizielle Verlegung von Samstag auf Sonntag 300 Jahre nach Christus unter Kaiser Konstantin stattfand.

Tatsächlich existiert keine biblische Grundlage für die Vorstellung, dass die neutestamentliche Urkirche einen anderen als den siebten Tag der Woche feierte – den Sabbat. Wenn man also beginnen möchte, den Tag, den der Gott der Schöpfung dafür bestimmt hat, ihm zu widmen, kann Konstantins Anordnung nicht außer Kraft setzen, was der Schöpfer geboten hat. Der Sabbat ist der siebte Tag der Woche, nicht der erste.

Als Tag völligen Ausruhens und Friedens, als besonderer Tag, bietet der Sabbat eine tiefe und notwendige Erholungspause für Menschen und die ganze Schöpfung. […] Die Arbeitswoche ist dafür da, in der Welt aktiv zu sein, aber der Sabbat ist dafür reserviert, einfach zu ,sein‘ und die Herrlichkeit der Schöpfung zu feiern.“

Ellen Bernstein, „Creation Theology: A Jewish Perspective“ in The Green Bible (2008)

Die Sehnsucht nach Tiefe im Leben, nach Sinn, nach gegenseitig förderlichen Beziehungen rührt zum Teil daher, dass man in einer oberflächlichen, egoistischen Gesellschaft, wo Zerstreuung und Ruhelosigkeit herrschen, nur existiert.

Warum nicht die Herausforderung annehmen und beginnen, an dem Tag zu ruhen, den ein liebender Gott für die Menschen gemacht hat? Ausruhen. Entspannen. Zeit für das Wesentliche.