Wer hat es in der Hand?

Was Daniel uns sagt

Der letzte Teil dieser Serie ergründet das facettenreiche Buch Daniel, das eine Brücke zwischen dem Alten und dem Neuen Testament schlägt.

Wer hat nicht davon gehört, wie Schadrach, Meschach und Abed-Nego aus dem Feuerofen gerettet wurden oder wie Daniel in der Löwengrube beschützt wurde? Diese Geschichten sind uns seit der Kindheit vertraut. Bekannt ist auch Daniels prophetische Deutung der großen Metallstatue, die Babylons König Nebukadnezar im Traum gesehen hatte. Doch insgesamt ist das Buch Daniel in mehrfacher Hinsicht rätselhaft.

Innerhalb der hebräischen Bibel zählt es nicht zu den „Propheten“, sondern zu den „Schriften“. Zwar legt der Titel nahe, dass Daniel der Autor war, und Jesus nannte sein Buch prophetisch, aber die erste Hälfte (Kapitel 1–6) ist in der Form eines Narrativs geschrieben und erzählt in sechs verschiedenen Geschichten über Daniel und seine drei Freunde. Die zweite Hälfte (7–12) ist dem apokalyptischen Genre zuzuordnen und von Daniel, der darin vier voneinander unabhängige prophetische Visionen wiedergibt.

Sechs Kapitel des Buchs und ein Teil des siebten sind auf Hebräisch (1, 2: 1–4a, 8–12), der Rest dagegen auf Aramäisch (2, 4b–7), der damaligen Lingua franca. Doch diese ungewöhnliche Verschiedenheit der biblischen Sprache entspricht nicht so genau den beiden Genres, wie man erwarten könnte. Sowohl der narrative als auch der prophetische Teil enthalten Material in beiden Sprachen.

Auch das Datum der Entstehung und das Zielpublikum haben den Gelehrten Kopfzerbrechen bereitet. Hier wird die Auffassung vertreten, dass das Buch im 6. Jahrhundert v. Chr. geschrieben wurde und zunächst für die Gemeinschaft der verschleppten Juden in Daniels Zeit bestimmt war.

Trotz der unterschiedlichen Meinungen der Gelehrten über diese und andere Fragen gibt es viel zu lernen von diesem Buch, dessen Zeithorizont sich von 605 v. Chr. (Daniel 1, 1) bis 537 v. Chr. (10, 1) und bis in unser 21. Jahrhundert erstreckt – möglicherweise die „andere Zeit“, auf die das Ende bestimmt ist (siehe „Reiche, Herrscher und Ereignisse im Buch Daniel: Geschichte und Deutung“). Diese Orientierung auf eine ferne Zukunft macht das Buch zu einem passenden Abschluss für unsere Serie über das Gesetz, die Propheten und die Schriften.

Ein genauerer Blick auf die Gliederung und die Schauplätze des Buchs hilft dabei, sein zentrales, einendes Thema zu verstehen: dass trotz allem, was im Leben geschieht – auch dem Konflikt zwischen Gottes treuem Volk und überheblichen, oft grausamen Herrschern –, das Schicksal der Menschen in Gottes Hand liegt. Zu den weiteren Aspekten, die die beiden Hälften des Buchs verbinden, zählt auch die Ähnlichkeit der Visionen in Kapitel 2 und 7, die aufeinanderfolgende Weltreiche identifizieren.

Die Relevanz des Buches begreift man nicht, indem man die Schlachten der historisch-kritischen Methode schlägt; am Ende wird die Botschaft dieses Buches denen offenbart, die versuchen, die Vision seines Autors zu teilen.“

Peter C. Craigie, The Old Testament: Its Background, Growth, and Content

Die narrativen Kapitel

Kapitel 1 beginnt mit dem ersten Einfall Nebukadnezars in Judäa und König Jojakims Unterwerfung, gefolgt von der Verschleppung von Adligen, Fürsten und Mitgliedern der Königsfamilie nach Babylon. Einige von den Verschleppten werden für ein dreijähriges Unterweisungsprogramm in babylonischer Kultur, Weisheit, Bildung und Sprache ausgewählt. Darin sieht man, wie Gott dafür sorgt, dass die Gefangenen von ihren babylonischen Herren gut behandelt werden. Trotz der Mühsal und Entmutigung des Exils ist nicht alles schlecht für die jüdischen Gefangenen.

Unter den Auserwählten sind Daniel und die drei genannten Freunde. Nach ihrer Lehrzeit werden sie vor den König zitiert. „Und der König fand sie in allen Sachen, die er sie fragte, zehnmal klüger und verständiger als alle Zeichendeuter und Weisen in seinem ganzen Reich“ (1, 20).

Das erste Kapitel ist auf Hebräisch – eine logische Wahl für die Einleitung zur Unterweisung jüdischer Zuhörer; in Kapitel 2, Vers 4b sprechen die chaldäischen Wahrsager des Königs ihn dann auf Aramäisch an. Der König hatte einen beunruhigenden Traum und verlangt, seinen Inhalt und seine Bedeutung zu wissen – eine unmögliche Aufgabe, die nur Daniel durch Gottes Inspiration lösen kann (2, 19–23).

Die folgenden Erzählungen über Daniel und seine Kollegen sind weiter auf Aramäisch geschrieben, vielleicht um die Echtheit der Berichte zu stützen, deren Schauplatz das nichtjüdische Babylon ist und die sich auch auf mehrere aufeinanderfolgende Weltreiche beziehen. Weiterhin auf Aramäisch folgt das apokalyptische siebte Kapitel; es bildet eine Brücke zu diesem Genre, dem die übrigen fünf wieder auf Hebräisch geschriebenen Kapitel zuzuordnen sind.

Hier lohnt sich eine genaue Betrachtung des Inhalts und der gespiegelten Gliederung der Kapitel 2–7, die uns zeigen, dass Gott der Herr über Völker und Herrscher ist und dass er sein Volk verteidigt.

Gliederung der aramäischen Kapitel im Buch Daniel

A Kapitel 2: Vier Reiche und das kommende Reich Gottes
   B Kapitel 3: Eine Feuerprobe und Gottes Schutz
      C Kapitel 4: Ein König wird gewarnt, bekehrt sich und wird erlöst
      C' Kapitel 5: Ein König wird gewarnt, bekehrt sich nicht und wird beseitigt
   B' Kapitel 6: Eine Prüfung durch wilde Tiere und Gottes Schutz
A' Kapitel 7: Vier Reiche und das kommende Reich Gottes

Nach New International Dictionary of Old Testament Theology und Exegesis von Willem A. VanGemeren (1997)

Der äußere Rahmen dieser literarischen Struktur (A, A') thematisiert vier Weltreiche, beginnend mit Nebukadnezars babylonischem Reich – dem goldenen Kopf der großen Statue, die dieser in seinem beunruhigenden Traum gesehen hat. Es folgen das silberne Perserreich, das bronzene Reich der Griechen und das eiserne Römische Reich (2, 31–33, 37–43).

Wichtig ist, dass kein einziges Reich für immer Bestand hat. Jedes wird von einer nachfolgenden Macht erobert. Doch am Ende wird die ganze Statue durch eine Kraft von außen, symbolisiert durch einen großen Stein nichtmenschlicher Herkunft, umgestürzt und zerschmettert.

Die parallelen Details in Daniels visionärem Traum in Kapitel 7, wo die Reiche durch vier mystische wilde Tiere symbolisiert sind, zeigen ebenfalls die künftige Vernichtung der kumulativen weltlichen Systeme durch nichtmenschliches – nämlich göttliches – Eingreifen. Die vier Systeme der Welt, die für alle gottlosen, menschlichen Herrschaftsformen stehen, werden letztlich dem ewigen Reich Gottes weichen, wo der wiederkehrende Sohn Gottes herrscht (7, 13–14, 26–27).

Der innere Rahmen (B, B') umfasst eine Gegenüberstellung einzelner gottesfürchtiger Menschen und gottloser Könige. Die brutale Tat Nebukadnezars, der die drei jungen Männer in den Feuerofen wirft, und ihre Rettung durch Gott spiegeln sich darin, dass der glücklose Darius Daniel in eine Löwengrube wirft, nur um zu sehen, dass dieser durch Gottes Rettung unversehrt herauskommt.

Daniel in der Löwengrube von Rembrandt Harmenszoon van Rijn, Rohrfeder laviert in Bister (ca. 1652)

In der Mitte der Gliederung (C, C') stehen zwei Könige, die menschliche Herrscher repräsentieren: Nebukadnezar und sein Nachkomme Belsazar. Als Gott beide an die Begrenztheit ihrer Macht erinnert, entscheidet sich Nebukadnezar, sich Gottes Herrschaft zu unterwerfen, und wird dementsprechend belohnt (Kapitel 4). Belsazar hingegen, der durch die bekannte Schrift an der Wand gewarnt wird, trotzt Gott und erhält die verheißene Strafe: Die Medo-Perser töten den König und verleiben das Babylonische Reich dem Perserreich ein (Kapitel 5). In alledem sieht man ein weiteres Mal, dass Gott das Schicksal der Menschen in der Hand hat.

In diesem Buch spielt eine komplexe und bruchstückhafte Chronologie eine erhebliche Rolle; deshalb kann ein Überblick hier hilfreich sein.

Chronologie des Buchs Daniel

Persien und Griechenland

In den narrativen Teilen war Daniel der Deuter der Träume und Ereignisse – in den apokalyptischen ist er es, der einen Deuter braucht. Bei jeder seiner eigenen vier Visionen in Kapitel 7–12 spielt ein Engel diese Rolle.

Im dritten Jahr Belsazars als König (8, 1) ist Daniel in der Nähe der antiken Elamiterstadt Susa. Obgleich diese nur einige Hundert Kilometer östlich von Babylon liegt, befindet Daniel sich wahrscheinlich nicht körperlich, sondern in einer Vision dort. Wieder stehen Tiere symbolisch für Völker. Er sieht, wie ein sehr starker und mächtiger Widder von einem noch mächtigeren und grimmigen Ziegenbock, der aus dem Westen kommt, angegriffen und besiegt wird.

Die Deutung des Engels und die weltliche Geschichte bestätigen diese Konfrontation als die überwältigende Herausforderung der medo-persischen Vorherrschaft durch den makedonischen Eroberer Alexander den Großen. Weitere Einzelheiten in der Prophezeiung zeigen, dass dieses angekündigte Griechische Reich letztlich in vier Teile zerfallen wird; aus einem von ihnen wird ein ungewöhnlich skrupelloser Herrscher hervorgehen, der in das Heilige Land einfallen und den Tempel in Jerusalem entweihen wird. Dann hört Daniel ein Gespräch zwischen zwei Engelwesen, aus dem er erfährt, dass dieses entsetzliche Ereignis am Tempel 2.300 „Abende und Morgen“ dauern wird. Der Engel Gabriel bestätigt dies, sagt aber, dass es erst in ferner Zukunft geschehen wird (8, 13–14, 26). Diese Vorausschau großer Not in Jerusalem beunruhigt Daniel zutiefst.

Anhand der späteren jüdischen Geschichtsschreibung im ersten Buch Makkabäer lassen sich mit diesen Ereignissen in der Vision Namen verbinden. Daniel hat mit einiger Genauigkeit gesehen, was in den Jahrhunderten nach seiner Zeit geschehen wird. Tatsächlich brach Alexanders Reich nach seinem frühen Tod in vier Teile auseinander. Wie prophezeit kam von den vier Teilen (bzw. Hörnern des symbolischen Ziegenbocks) ein berüchtigter Herrscher: der Seleukidenkönig Antiochus IV. Epiphanes. Er zwang die Juden zu heidnischen religiösen Praktiken, bei denen sie z. B. den Brandopferaltar des Jerusalemer Tempels verunreinigten, indem sie einen weiteren Altar darüber setzten und Zeus darauf Schweine opferten. Passend zu der Erklärung von Daniels Vision (8, 13–14, 25) endete die seleukidische Zeit der Entweihungen nach 2.300 Morgen- und Abendopfern, d. h. 1.150 Tagen (167–164 v. Chr.), als jüdische Freiheitskämpfer ihre Unterdrücker im Aufstand der Makkabäer vertrieben.

Das Thema, das sich durch das ganze Buch zieht, ist, dass die Geschichte von Königen und die Belange von Menschen Gottes Entscheidungen unterstehen, und dass er fähig ist, seinen Willen zu verwirklichen, auch gegen den entschlossensten Widerstand der mächtigsten Potentaten der Erde.“

Gleason L. Archer Jr., „Daniel“, in The Expositor’s Bible Commentary, Bd. 7: Daniel–Minor Prophets

Siebzig Jahre und siebzig Wochen

Es folgt Kapitel 9 mit der Offenbarung über das Kommen des Messias, die Daniel gegeben wurde. Dies ist nicht so sehr eine neue Vision als vielmehr eine weitere Erklärung dessen, was Daniel so bestürzt hatte, dass ihm die Bedeutung des Angriffs auf Gottes Heiligtum keine Ruhe ließ.

Den Rahmen bildet die Sehnsucht des Propheten nach dem Ende des babylonischen Exils. Er hat die Prophezeiung aus der Zeit vor der Verschleppung gelesen (Jeremia 25, 9–12; 29, 10), in der erwähnt wird, dass über Jerusalem 70 Jahre Trostlosigkeit verhängt werden. Er weiß, dass die Zeit bald enden muss, und sucht Gottes Vergebung und Wiederherstellung für das Volk. Die Strafe hatte Israel und Jerusalem getroffen, weil das Volk den Bund gebrochen hatte, den Gott auf dem Berg Sinai mit ihm geschlossen hatte. Mose hatte lange vor dem Einzug ins Gelobte Land eine solche Konsequenz und den Weg zurück zu Gott prophezeit (siehe 3. Mose 26, 33–35, 40–42).

Das Ende der 70 Jahre ist nicht schwer zu datieren, denn Daniel schreibt sein Gebet im Jahr 539 nieder, dem ersten Jahr des Darius – der vielleicht von Kyrus zum König ernannt wurde oder selbst Kyrus war und von den Babyloniern Darius genannt wurde – und dem Jahr, in dem Babylon fiel.

Wenn die 70 Jahre wörtlich zu verstehen sind, beginnen sie im Jahr 609 v. Chr., das mit der Zerstörung Jerusalems nichts zu tun hat. Allerdings war dies das Jahr, in dem Pharao Necho II. Josia tötete – den letzten rechtschaffenen König von Juda. Gott hatte gesagt, dass die Bestrafung Judas trotz Josias Rechtschaffenheit nicht weiter aufgeschoben werden sollte (2. Könige 22, 16–20; 23, 25–27). Der Ägypter war unterwegs zum Euphrat, um die Assyrer gegen die Babylonier zu unterstützen; doch sie wurden bei ihrem letzten, verhängnisvollen Feldzug gegen Babylon bei Haran geschlagen. So brachte das Jahr 609 das Ende Assyriens und den Beginn der neobabylonischen Vorherrschaft.

Ist die 70 aber eine gerundete Zahl, dann wäre 605 das nächste wichtige Datum, als Nebukadnezars Streitmacht zum ersten Mal gegen Jerusalem zog – 66 Jahre vor 539.

Auf Daniels Fasten und Beten hin wird der Engel Gabriel mit einer Botschaft zu ihm gesandt. Die Antwort auf seine Sorge über das Ende der 70-jährigen Trostlosigkeit handelt von einem anderen prophetischen Zeitraum von 70 Jahren, an dessen Höhepunkt der Messias kommt. Es wäre verlockend, diese neue Information auf Jerusalems Lage in Daniels Zeit zu beziehen, aber der Text macht deutlich, dass eine mittelbare und ferne Zukunft gemeint ist. „Siebzig Wochen [Hebräisch sabuim, „Siebener“, Plural] sind verhängt über dein Volk und über deine heilige Stadt; dann wird dem Frevel ein Ende gemacht und die Sünde abgetan und die Schuld gesühnt, und es wird ewige Gerechtigkeit gebracht und Gesicht und Weissagung erfüllt und das Allerheiligste gesalbt werden“ (Daniel 9, 24).

Gabriels Antwort auf Daniels Gebet ist eine Interpretation der siebzig Jahre in einer Weise, die deren Reichweite zu vergrößern scheint.“

Tremper Longman III, The NIV Application Commentary: Daniel

Siebzig Sabbatwochen (70 × 7 Wochen von Jahren) ergeben 490 Jahre. Diese Zeit wird in 7 + 62 + 1 Wochen unterteilt: „So wisse und verstehe: Vom Ausgehen des Wortes, Jerusalem wiederherzustellen und zu bauen, bis auf den Messias, den Fürsten, sind 7 Wochen und 62 Wochen. Straßen und Gräben werden wiederhergestellt und gebaut werden, und zwar in Drangsal der Zeiten“, (9, 25–27 Elberfelder Übersetzung).

Der Befehl Artaxerxes’ I., Jerusalem wieder aufzubauen, erging 457 (Esra 7, 11–26); zur Zeit Esras wurde die Stadt teilweise instand gesetzt und unter Nehemia wurde sie weiter erneuert (Esra 4, 11–23; Nehemia 3–7). Zählt man ab 457 v. Chr. 69 von den 70 prophetischen Jahren (483 Jahre) weiter, kommt man zum Jahr 27 n. Chr.; dann wird der Messias „weggetan werden“ nicht jedoch bevor er die 70ste Woche beginnt, in welcher er mit Vielen einen Bund schließen wird (Daniel 9, 26–27 Elberfelder Übersetzung). Christus wurde nach 3,5 Jahren öffentlichen Wirkens durch Kreuzigung getötet und Schlachtopfer und Speisopfer fanden ein Ende (Vers 27): An dieser Stelle begann der neue Bund mit seinem Volk.

Die Erklärung des Engels enthält auch eine Botschaft über eine weitere Entweihung Jerusalems, die Antiochus’ Sakrileg typisiert. Innerhalb der Aussage über den Opfertod Christi steht die kryptische Ankündigung: „Und das Volk des kommenden Fürsten wird die Stadt und das Heiligtum zerstören“ – sie gilt als Hinweis auf die Zerstörung Jerusalems und des Tempels durch die Römer im Jahr 70 n. Chr.

Schwere Zeiten

Daniels nächste und letzte Vision (Kapitel 10–12) kommt im dritten Jahr des Kyrus (536), nachdem er drei Wochen lang getrauert oder gefastet hat, um Gottes Plan für sein Volk besser zu verstehen. Er sieht einen mächtigen Engel, der verkündet: „Nun aber komme ich, um dir Bericht zu geben, wie es deinem Volk gehen wird am Ende der Tage; denn das Gesicht geht auf ferne Zeit“ (10, 14). Unterstützt durch den Erzengel Michael hat dieser Engel mit dem Engelfürsten des Königreichs Persien gekämpft, vielleicht einem bösen Geistwesen, das Gottes Plan vereiteln wollte. 21 Tage hat sein Widerstand gedauert – so lange wie Daniels Fasten.

In Kapitel 11 fährt der Engel fort und sagt den Niedergang Persiens, den Aufstieg Griechenlands und seinen Zerfall in vier Teile voraus (11, 1–4). Zwei von diesen vier werden als die verfeindeten Reiche der Ptolemäer und der Seleukiden identifiziert; sie werden als „König des Südens“ und „König des Nordens“ bezeichnet. Die Prophezeiung nennt keine Namen, gibt aber sehr spezifische Details über die politischen Machenschaften der beiden Mächte bis zum Ende der Herrschaft, die eindeutig Antiochus IV. Epiphanes zuzuordnen ist.

Jede Person aufzuführen, auf die hingewiesen wird, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, doch kann die historische Tabelle einen Überblick geben. Mehrere Verse entsprechen dem, was auf historischer Grundlage über die Herrschaft Antiochus’ IV. Epiphanes bekannt ist. Er ist „ein verächtlicher Mensch“, wird sich „durch Ränke die Herrschaft erschleichen“ und „seine Macht und seinen Mut gegen den König des Südens aufbieten mit einem großen Heer“. Er zieht wieder nach Jerusalem und mobilisiert Kräfte und „seine Heere werden kommen und Heiligtum und Burg entweihen und das tägliche Opfer abschaffen und das Gräuelbild der Verwüstung aufstellen. Und er wird mit Ränken alle zum Abfall bringen, die den Bund übertreten“. Ab hier weitet sich der Zeithorizont und umfasst das Volk Gottes, das „sich ermannen und danach handeln“, aber über längere Zeit leiden wird (Daniel 11, 21–32).

Und die Verständigen im Volk werden vielen zur Einsicht verhelfen; darüber werden sie verfolgt werden mit Schwert, Feuer, Gefängnis und Raub eine Zeit lang. Während sie verfolgt werden, wird ihnen eine kleine Hilfe zuteilwerden; aber viele werden sich nicht aufrichtig zu ihnen halten. Und einige von den Verständigen werden fallen, damit viele bewährt, rein und lauter werden für die Zeit des Endes; denn es dauert noch bis zur bestimmen Zeit“ (11, 33–35, Lutherbibel 2017).

Dann wendet sich die Prophezeiung wieder dem König des Nordens zu, doch ist in ihm auch der arrogante Herrscher typisiert, wie ihn schon frühere heidnische Reiche hatten. Die Geschichte wird bis zur Zeit des Endes noch weitere seines Schlags hervorbringen: „Und der König wird tun, was er will, und wird sich überheben und großtun gegen jeden Gott. Und gegen den Gott aller Götter wird er Ungeheuerliches reden, und es wird ihm gelingen, bis der Zorn vollendet ist; denn es muss geschehen, was beschlossen ist“ (Vers 36, Lutherbibel 2017).

Nun kommt die Verkündigung des Engels rasch zum Schluss. In der Zukunft – direkt vor dem Höhepunkt am Ende unserer Zeit des Menschen – werden die beiden Könige einander noch einmal bekriegen. Der Endzeitnachfolger des Königs des Südens wird den König des Nordens angreifen, doch dieser wird ihn besiegen und noch einmal in das alte Land Israel einziehen. In diesen Krieg werden mehrere Länder verwickelt werden, aber einige transjordanische Nachbarstaaten werden ihm entgehen. Voll Zorn über Nachrichten aus dem Norden und dem Osten wird er zum Angriff schreiten und sein Hauptquartier in Israel aufschlagen, „aber es wird mit ihm ein Ende nehmen und niemand wird ihm helfen“ (Verse 40–45). Wer diese Nachkommen der Seleukiden- und Ptolemäerkönige sind, ist aus Daniels Schriften nicht ersichtlich, aber ihre letzten Taten gehen dem Ende unserer Zeit voraus.

Das Schlusskapitel beginnt: „Zu jener Zeit wird Michael, der große Engelfürst, der für dein Volk eintritt, sich aufmachen. Denn es wird eine Zeit so großer Trübsal sein, wie sie nie gewesen ist, seitdem es Menschen gibt, bis zu jener Zeit“ (12, 1).

Und ich hörte es, aber ich verstand’s nicht und sprach: Mein Herr, was wird das Letzte davon sein? Er aber sprach: Geh hin, Daniel; denn es ist verborgen und versiegelt bis auf die letzte Zeit.“

Daniel 12, 8–9

Dieser Teil des Buchs erklärt, dass es nach dem Höhepunkt am Ende für die einen eine Auferstehung zum Leben und für die anderen ewige Schmach und Schande geben wird. Daniel wird angewiesen, diese Offenbarung zu versiegeln, bis Gott entscheidet, alles zum Abschluss zu bringen. Zuvor wird Daniel sterben und auf die Auferstehung zum Leben warten: „Du aber, Daniel, geh hin, bis das Ende kommt, und ruhe, bis du auferstehst zu deinem Erbteil am Ende der Tage“ (12, 13).

Er hat gefragt, wie lange es noch dauert, bis die siebzig Jahre der Trostlosigkeit vergangen sind. Er hat von einem weiteren Zeitraum von siebzig „Wochen“ erfahren, die 490 Jahren entsprechen, bis Christus zum ersten Mal kommt. Er hat gehört, dass selbst diese Zeit unterbrochen werden wird, weil mitten in der Woche der Messias getötet wird. Das hat Implikationen für den zweiten Teil der letzten Woche zur Folge. Da Christus den Tag seiner Wiederkunft nicht nennen konnte, weil nur der Vater ihn kennt, bedeuten seine letzten Worte an seine Jünger – „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“ (Matthäus 28, 20) – vielleicht, dass die zweite Hälfte dieser prophetischen Woche das Wirken Christi unter seinen Menschen bis zu seiner Wiederkunft symbolisiert.

Das politische System, zu dem die Seleukiden und Ptolemäer gehörten, begann im ersten Jahrhundert v. Chr. zusammenzubrechen und wich dem Römischen Reich, dem vierten wilden Tier von Nebukadnezars und Daniels Visionen. Im Unterschied zu den anderen Reichen vor ihm hat es im Lauf der Geschichte Neuauflagen erlebt, ist wiedergekehrt und wieder verschwunden und der Prophezeiung nach wird es fortdauern, bis das künftige Reich Gottes kommt.

Die Fortsetzung dieser Geschichte findet sich im letzten Buch des Neuen Testaments, der Apokalypse bzw. Offenbarung.

Daniels bemerkenswertes Zeugnis bringt uns vom babylonischen Exil durch die Zeit zwischen dem Alten und dem Neuen Testament und das erste nachchristliche Jahrhundert und weiter bis zum Ende unserer Zeit. Daniels Frage nach der Zeit und dem Ergebnis von Gottes Plan für sein Volk bleibt noch vollständig zu beantworten, aber das Grundthema des Buchs ist klar: Es ist immer Gott, der es in der Hand hat.